Freitag, 17. April 2009

Das System ist hoffnungslos kaputt

sagt Yves Smith von naked capitalism: "I give it six months before it becomes undeniable that the current system is hopelessly broken."

Nicht, dass diese Information für aufmerksame Beobachter nun so sonderlich neu ist. Anlass für diese Äußerung war lediglich ein Interview mit Josepf Stiglitz, das Bloomberg mit dem Nobelpreisträger führte. Dieser wird so zitiert:

“All the ingredients they have so far are weak, and there are several missing ingredients,” Stiglitz said in an interview yesterday. The people who designed the plans are “either in the pocket of the banks or they’re incompetent.”

Stiglitz said there are conflicts of interest at the White House because some of Obama’s advisers have close ties to Wall Street.

Da niemand wirklich glaubt, dass die Banker von der Wall Street und ihre Handlanger in Washington komplette Volltrottel sind, kann man als Erklärung für die krass den Interessen der Steuerzahler widersprechende Ausgestaltung der Rettungspakete nur die "hervorragenden Verbindungen zwischen Wall Street und Washington gelten lassen. So viel zum Thema "Change, we can believe in".

Damit liegt Stiglitz auf der gleichen Linie wie Simon Johnson, der die Interessenverflechtungen zwischen den Finanzoligarchen und Washington in seinem Artikel "The Quiet Coup" genau dargelegt hat. Einen Übersetzungsversuch dieses hervorragenden Artikels findet man hier im Blog.

Donnerstag, 16. April 2009

Unkonventionelle Einnahmequelle für US-Finanzministerium

US-Budgetkrise gelöst

- Washington - Nachdem Sorgen über die immer weiter steigende Staatsverschuldung angesichts eines drohenden Haushaltsdefizits in Höhe von 12 Prozent des BIP laut geworden sind, hat sich der US-Präsident scheinbar zu einem entschiedenerem Handeln in der Wirtschaftskrise durchgerungen. Das US-Finanzministerium ruft sämtliche im Umlauf befindlichen Dollarscheine zurück, da sie bereits morgen eine tödliche Wirkung entfalten werden. Natürlich eine Meldung von "The Onion"...




Damit dürften jetzt auch die letzten Zweifler ihre Inflationssorgen beerdigen...


PS: Weitere Zwiebel-Videos gibt es in meiner Video-Bar unten rechts. Die Videos rotieren allerdings. Es wechseln sich Max Keiser, The Real News und The Onion ab. Also im Zweifel bitte einen Augenblick warten...

Einführungskurs Finanzkrise Teil 8: Grauer Kapitalmarkt

Paddy Hirsch von Marketplace erklärt den Unterschied zwischen einem Hypothekenkredit vom grauen Kapitalmarkt im Vergleich zu einem Kredit von einer Bank.


Shadow banking from Marketplace on Vimeo.



Ergänzend dazu noch einmal das anschauliche Video "crisis of credit" aus dem Einführungskurs Finanzkrise Teil 6.

Mittwoch, 15. April 2009

Roubini Watchblog 16

Roubini vs. Cramer


Nouriel Roubini aka Dr. Doom, der Papst der Finanzkrise, zur Kritik von Jim Cramer an ihm. Zu Cramer fällt einem langsam aber auch gar nichts mehr ein. Wie kann sich so ein Clown wie Cramer noch erdreisten, überhaupt noch ein "Piep" zu sagen???




Hier ist das viel beachtete Cramer-Interview von "Comedian" Jon Stewart (dem zurzeit angesehensten Wirtschaftsjournalisten der USA), aus dem Cramer so klein mit Hut rausging.

The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Jim Cramer Unedited Interview Pt. 1
thedailyshow.com
Daily Show
Full Episodes
Economic CrisisPolitical Humor


The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Jim Cramer Unedited Interview Pt. 2
thedailyshow.com
Daily Show
Full Episodes
Economic CrisisPolitical Humor



The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Jim Cramer Unedited Interview Pt. 3
thedailyshow.com
Daily Show
Full Episodes
Economic CrisisPolitical Humor





Und schließlich noch der fast schon als legendär zu bezeichnende Auftritt vom Dauer-Bullen Jim Cramer aus dem Sommer 2007, als nach dem Kollaps des ersten Hedgefonds mit toxic waste der US-Interbankenmarkt einfror.

Roubini Watchblog 15

The Night with Bears in Canada.

Nouriel Roubini aka Dr. Doom spricht auf einer Veranstaltung in Canada:

Video: "Markets ´way too optimistic".

Aber andere Referenten dieser Veranstaltung haben sich pessimistischer geäußert als Roubini. Das macht Roubini noch längst nicht zu einem Bullen, aber ich denke, im Moment sieht er eher eine U- als eine L-förmige Rezession als wahrscheinlich an.

Dienstag, 14. April 2009

Der Finanzskandal wird Obamas Präsidentschaft zerstören

wirtschaftlich und moralisch, sagt William K. Black, ehemaliger Bankenaufseher während der "savings and loans crisis" Ende der 1980'er in den USA, dem Magazin Barrons.

Und weiter (sinngemäß):

Obama hat mit Geithner und Summers die Böcke zum Gärtner gemacht.

Geithners Sprachgebrauch erinnert an Orwell, um es milde auszudrücken.

Und wörtlich:

"With most of America's biggest banks insolvent, you have, in essence, a multitrillion dollar cover-up by publicly traded entities, which amounts to felony securities fraud on a massive scale.

These firms will ultimately have to be forced into receivership, the management and boards stripped of office, title, and compensation.... Then, we need to gear up to pursue criminal cases."


Wer mehr von dem Mann hören will, der offensichtlich einer der wenigen Experten ist, der sich traut, öffentlich die Wahrheit zu sagen, der kann sich gerne noch das Interview von Bill Moyers mit ihm ansehen. Ich bin allerdings sicher, dass auch unsere großen Sender und Zeitungen, also quasi unsere "Qualitätsjournalisten", bald auf diesen Mann aufmerksam werden. Wahrscheinlich schon im Verlaufe des nächsten Jahres. Im Moment ist die Berichterstattung über Black in deutschen Medien jedenfalls etwas dünn. Solange berichten sie einfach noch von den tollen Quartalsergebnissen von Wells Fargo und Goldman Sachs ...

George Sorros zu neuen Bilanzierungsregeln: "It just delays the evil day"

Nervtötendes - da von Sprechpausen durchzogenes - Interview mit George Sorros, in dem er ein paar interessante Anmerkungen zum Zustand des Finanzsystems macht, die die Leser dieses Blogs jedoch nicht sonderlich verwundern werden. Er vergleicht die Rettungsmaßnahmen in den USA mit denen von Japan während der 90´er Jahre. Er sagt das Entstehen von Zombie-Banks voraus, die das Blut aus der Wirtschaft herausziehen. Das Aufweichen der Bilanzierungsregeln für Banken"just delays the evil day". Weiterhin gibt Sorros unumwunden zu, dass das System zusammengebrochen ist und momentan nur noch mit künstlicher Beatmung funktioniert.


ENRON? Da war doch was?

So, jetzt ist es also soweit. Wir nähern uns so langsam dem Kern der Finanzkrise. Stück für Stück scheinen die Machenschaften der "Finanzelite" aufzufliegen. Erst ist Madoff in den USA aufgeflogen mit seinem Schneeballsystem und jetzt geht es auch in Island den Bankern an den Kragen.

Nach ersten Ermittlungen scheint es so zu sein, dass sich die Mitarbeiter der Banken großzügig selbst mit Krediten versorgt haben und u.a. die Aktien der eigenen Bank aufgekauft haben, die dann wiederum als Sicherheit für diese Kredite dienten. Im Vorfeld der Finanzkrise haben die beteiligten Kreise dann noch schnell ihre Schäfchen ins Trockene (Steueroasen) gebracht. Jetzt will man die Finanzströme zurückverfolgen. Der ehemalige Justizminister von Island diktiert dem Telegraph Folgendes in den Journalistenblock:

“I have written a lot about problems in the business sector over the last 14 years, and I can only compare some parts of it to Enron,” he said. “Here companies have been playing a game, using the media and publishing to make themselves look good. We only hope that the foreign media will soon begin to understand what has been going on.”
Er sieht also Parallelen zu Enron. Nur zur Erinnerung: Enron war ein riesiger, von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson gedeckter Bilanzskandal. Der größte Wirtschaftsbetrug bis dahin. Auf die Ähnlichkeiten hinsichtlich der Interessenkonflikte beim Enron-Skandal und der aktuellen Finanzkrise habe ich bereits in meinem Artikel Der-Ein-Finger-Gruß auf merksam gemacht.

Damals bei der Enron-Pleite hat die Öffentlichkeit/der Markt auf die Testate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson vertraut. Zu Unrecht. Heute werden sich einige fragen: Who the fuck is Arthur Anderson? Genau, die gibt es nämlich seit damals nicht mehr. Der Laden wurde von einer Klagewelle geschädigter Anleger eingeholt, die Arthur Anderson letztlich zur Aufgabe zwang. In der Folge wurde der SOA, der o.g. Sarbanes-Oxley-Act verabschiedet.

Nach dem SOA sollten die Bilanzen nicht mehr von denjenigen geprüft werden, die sie erstellt haben, denn dies führt fast zwangsläufig zu Interessenkonflikten bei der Prüfung der Bilanzen. Wenn ein Unternehmen eine Steuerberatung- und Prüfungsgesellschaft dafür gut, sogar sehr gut bezahlt, dass diese eine Bilanz erstellt, dann erwartet dieses Unternehmen, dass der erstellte Abschluss auch von der gleichen Gesellschaft testiert wird. Logisch, schließlich hat sie die Bilanz ja erstellt. Nur wollen die Berater die guten Aufträge in der Regel nicht verlieren, so dass bei Enron zum Beispiel recht "wohlwollend" bilanziert und dieses dann von Arthur Anderson testiert wurde. Bis der Schwindel aufflog. Dies alles wollte man also zukünftig mit dem SOA verhindern.

Dass bei den Rating-Agenturen der gleiche Interessenkonflikt besteht, wie bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor dem SOA, ist damals aber scheinbar keinem aufgefallen (wirklich nicht?) . Denn auch die Rating-Agenturen werden von ihren Auftraggebern bezahlt. Das sind die Investmentbanken, die ihre Wertpapiere (CDO´s, ABS, RMBS, CMBS und der ganze Buchstabensalat) später für gutes Geld an den Anleger bringen wollen. Natürlich erwartet man als Auftraggeber, wenn man schon zahlt, dass man auch ein ordentliches Rating bekommt. Am besten AAA, auch wenn nur Subprime-Kredite verbrieft werden. Mit welchem scheinheiligen mathematischen Modell dieses Ergebnis gerechtfertigt wird, ist den Banken egal. Sie haben dieses System ja selbst erfunden, also wissen sie, wie man es spielt. Dass bei der Vergabe der Ratings nicht immer so genau hingeguckt wurde, wurde schon mehrfach kolportiert.

Daher gab und gibt es Kritik an den Rating-Agenturen. Mish ist auch unter den Kritikern dieses Systems. Diese Kritik hat viel für sich. Aber vielleicht erledigt sich das Thema ähnlich wie bei Arthur Anderson: Indem eine Klagewelle Geschädigter die Big Three von der Bildfläche spült. Wenn man unter den demnächst arbeitslosen Ex-Mitarbeitern der Rating-Agenturen den einen oder anderen besonders frustrierten findet, könnte man mit deren Insiderkenntnissen und Zeugenaussagen eine Klage stricken. Mal sehen was kommt.

Dann heißt es in ein paar Jahren eventuell: Who the fuck is S&P, Moody´s and Fitch? Ich würde sie nicht vermissen...

Wahrscheinlich werden da aber noch genügend andere Betrügereien auffliegen. Warum sollte es sich heute anders verhalten als in der Finanzkrise von 1929? Die Ahnlichkeiten sind ansonsten ja auch frappierend. Man braucht sich dazu nur das "Standardwerk" von John K. Galbraith "Der große Crash 1929" durchzulesen. Ein schlecht übersetztes Büchlein von knapp 200 Seiten (also vielleicht zum Original greifen). Im Zuge der Aufarbeitung der damaligen Krise landeten ettliche Banker im Knast. Wahrscheinlich zu wenige, aber immerhin. Man könnte ja heute auch zumindest einmal damit anfangen.

Was ich dann auch noch sehr bemerkenswert an der Aussage des isländischen Ministers finde, ist seine Einschätzung zur Rolle der Medien, dass sie nämlich eigentlich nur zur Propaganda eingesetzt wurden, um die Betrügereien der Banken zu pushen. Auch das war bereits 1929 "state of the art". Und wer mit diesem und anderem Hintergrundwissen dann aktuell die Nachrichten von den guten Ergebnissen von Wells Fargo und Goldman Sachs im WDR-Rundfunk hört, garniert mit der durch nichts zu rechtfertigenden Behauptung, dass damit die Finanzkrise wohl beendet sei, der fragt sich, warum da einige von diesen anzeigen- und gebührenfinanzierten Medienstrichern Journalisten, nicht einfach in ihr Schwert fallen können.

Montag, 13. April 2009

Der leise Staatsstreich (Teil IV)

Das ist der letzte Teil des faszinierenden Artikels vom ehemaligen IWF Chef-Ökonom Simon Johnson. Er betreibt auch das Blog "The Baseline Scenario", das ihr in meiner Blog-Liste findet. Ich bin auf ihn durch ein Interview mit Bill Moyers aufmerksam geworden. Er gehört für mich zu den wenigen Stimmen in diesem Dschungel, die es Wert sind, auf sie zu hören.

Sein Artikel "The Quiet Coup" erscheint in der Mai Ausgabe des "Atlantic" und ist jetzt schon online.

(Nachzügler werden hier fündig: Der leise Staatsstreich Teil I, Teil II, Teil III)

Der leise Staatsstreich (Teil IV)

Der Crash hat viele unschöne Wahrheiten über die Vereinigten Staaten aufgedeckt. Eine der alarmierendsten ist, dass die Finanzindustrie quasi die Regierung übernommen hat, sagt ein ehemaliger IMF-Chefokönom - ein Zustand, der eher auf Schwellenländer zutrifft und im Zentrum von vielen Krisen von Schwellenländern steht. Wenn das IMF-Personal offen über die USA sprechen könnte, würde es den Rat geben, den sie allen Ländern in dieser Lage gibt: Es gibt keine Erholung bis wir mit der Finanzoligarchie gebrochen haben, die grundlegende Reformen blockiert. Und wenn wir eine wirkliche Depression verhindern wollen, wird die Zeit knapp.


Der Ausweg


Wenn man sich nur die Finanzkrise konzentriert und einige Probleme der Gesamtwirtschaft ignoriert, dann stehen wir vor mindestens zwei zusammenhängenden Problemen. Das erste ist ein hoffnungslos kranker Finanzsektor, der droht, jeden beginnenden Aufschwung wieder abzuwürgen, den ein staatliches Konjunkturpaket vielleicht auslösen könnte. Das zweite Problem ist ein politisches Machtgleichgewicht, das dem Finanzsektor ein Vetorecht gegenüber der Politik verschafft, auch wenn der Finanzsektor an öffentlicher Zustimmung einbüßt.

Großbanken scheinen seit dem Ausbruch der Krise sogar an politischem Einfluss gewonnen zu haben. Und dies überrascht nicht. Bei einem so zerbrechlichem Finanzsystem wäre der Schaden, den der Zusammenbruch einer großen Bank - Lehman war klein im Vergleich zu Citigroup und Bank of America - verursachen würde, viel größer als in normalen Zeiten. Die Banken haben diese Angst dazu ausgenutzt, um sehr günstige Konditionen in Washington für sich auszuhandeln. Bank of America erhielt ihr zweites Rettungspaket, nachdem sie die Regierung gewarnt hatte, dass sie die Übernahme von Merill Lynch vielleicht nicht verkraften würden. Ein mögliches Resultat, das das Finanzministerium nicht austesten wollte.

Die Herausforderungen, die den USA bevorstehen, sind den Mitarbeitern des IWF wohl bekannt. Wenn man den Namen des Landes verbergen würde und ihnen nur die Zahlen an die Hand geben würde, dann würden die IWF-Angestellten ohne Zweifel sagen: "Verstaatlicht die Banken, die in Schwierigkeiten sind, und zerschlagt sie, soweit notwendig." Auf die eine oder andere Art hat die Regierung natürlich schon die Kontrolle über das Finanzwesen übernommen. Im Wesentlichen hat sie für die Verbindlichkeiten der größten Banken gebürgt und dies ist heute deren einzige vernünftige Finanzierungsquelle. Inzwischen hat die FED eine führende Rolle als Kreditgeberin für die Wirtschaft eingenommen - eine Rolle, die eigentlich dem privaten Bankensektor zugedacht war, aber das ist nicht so. Nun hat aber auch das Handeln der FED Grenzen. Konsumenten und Firmen sind immer noch abhängig von Banken, denen die bilanziellen Freiräume und Anreize fehlen, die von der Wirtschaft benötigten Kredite zu vergeben, und die Regierung hat keine wirkliche Kontrolle darüber, wer die Banken führt, und was sie machen.

Die Wurzel der Bankenprobleme sind die großen Verluste, die die Banken unzweifelhaft bei ihren Wertpapieren und Kreditportfolios erlitten haben. Aber sie wollen sich nicht das gesamte Ausmaß der Verluste eingestehen, denn dann würde sich wahrscheinlich herausstellen, dass sie insolvent sind (Anm.: insolvent kann zahlungsunfähig oder auch überschuldet/bankrott heißen. In diesem Zusammenhang dürfte überschuldet/bankrott gemeint sein und nicht bloß zahlungsunfähig). Also spielen sie das Problem herunter und fragen nach Almosen, die nicht ausreichen, um sie wieder solide zu machen (nochmal: sie können nicht die tatsächlich benötigten Almosen bekannt geben), aber ausreichen, um sie noch ein bisschem am Leben zu erhalten. Dieses Verhalten ist zerstörerisch: Banken in Schräglage geben entweder keinen Kredit (sie horrten Liquidität, um ihre Reserven aufzubessern) oder sie versuchen verzweifelt ihr Glück mit hochrisikanten Krediten oder mit spekulativen Investments, die große Gewinne versprechen, wenn sie nicht platzen. In beiden Fällen leidet die Wirtschaft weiter und infolge dessen, verfallen die Bankaktiva ihrerseits weiter, um damit einen sehr zerstörerischen, gefährlichen Kreislauf in Gang zu setzen.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen muss die Regierung die Banken dazu zwingen, das Ausmaß ihrer Probleme zur Kenntnis zu nehmen. Wie der IWF annimmt (und worauf die US Regierung selbst in der Vergangenheit bei vielen Schwellenländern bestanden hat) ist der kürzeste Weg dafür die Verstaatlichung. Statt dessen versucht der Finanzminister von Fall zu Fall die Rettungspakete mit den Banken zu verhandeln und benimmt sich so, als ob die Banken alle Trümpfe in der Hand hielten. Dabei verdreht er die Vertragsbedingungen jedes Mal, um die Beteiligung des Staates zu verringern und verzichtet damit auf den Einfluss auf die Geschäftspolitik. Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, die Bankbilanzen zu bereinigen.

Verstaatlichung würde aber nicht dauernden Staatsbesitz voraussetzen. Der Rat des IWF sähe im Wesentlichen so aus: Ausweitung der normalen Tätigkeit der Federal Deposit Insurance Corporation (Anm.: amerikanische Einlagensicherung, die auch die Aufsicht durchführt und im Falle einer Insolvenz gleichzeitig als Insolvenzverwalter agiert). Eine FDIC Intervention ist im Grundsatz ein staatlich geführtes Insolvenzverfahren für Banken. Es würde es zulassen, dass die Aktionäre leer ausgehen/ihren Einsatz verlieren (Anm. hat jemand eine bessere, griffigere Übersetzung für "wipe out"?), dass das gescheiterte Management ausgetauscht wird, dass die Bilanz bereinigt wird, und dass die Bank dann wieder an private Anleger verkauft wird (Anm. zum Beispiel erneut Aktien ausgegeben werden). Der Hauptvorteil liegt darin, dass man das Problem sofort wahrnimmt, so dass es gelöst werden kann, bevor es größer wird.

Die Regierung muss die Bilanzen überprüfen und die Banken herausfinden, die in einer schweren Rezession nicht überlebensfähig sind. Diese Banken sollten vor die Wahl gestellt werden: Schreib deine Aktiva (Anm.: sprich Wertpapiere) auf den wahren Wert ab und hol dir frisches privates Kapital innerhalb von 30 Tagen oder du wirst von der Regierung übernommen. Die Regierung würde dann die giftigen Wertpapiere von den Banken abschreiben, die unter staatlicher Kontrolle sind, sich damit der Realität stellen, und diese Wertpapiere dann auf eine staatliche Zweckgesellschaft übertragen, die versuchen würde diese bestmöglich zu verkaufen zum Wohle des Steuerzahlers (so wie es auch der Resolution Trust Corparation nach der Savings- and Loans- Krise eine der 1980´er vorsah). Die Rumpfbank, jetzt bereinigt und bereit, neue Kredite zu vergeben, und daher wieder vertrauenswürdig für andere Kreditgeber und Anleger, könnte wieder verkauft werden.

Die Bereinigung der Megabanken wird kompliziert sein. Und es wird für den Steuerzahler teuer werden. Nach den letzten Zahlen des IWF könnte die Bereinigung langfristig fast 1,5 Billionen Dollar (1.500 Mrd Dollar) oder ca. 10 Prozent des Bruttosozialprodukts kosten. Aber nur entschiedenes Regierungshandeln, nämlich das gesamte Ausmaß der Finanzmisere darlegen und dann einige Banken in einer für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Weise wieder auf gesunde Füße stellen, kann den Finanzsektor insgesamt heilen.

Dies mag nach bitterer Medizin klingen. Aber tatsächlich ist dies zwar notwendig, aber noch nicht ausreichend. Das zweite Problem, dem sich die USA gegenüber sehen - die Macht der Oligarchie - ist genauso wichtig wie die gegenwärtige Kreditkrise. Und auch an dieser Front wäre der Rat des IWF sehr einfach: Brecht die Oligarchie auf.

Überdimensionierte Institutionen beeinflussen die Politik unverhältnismäßig (stark). Die Großbanken haben einen wesentlichen Teil ihrer Macht aus ihrem Status bezogen, dass sie zu groß sind, um pleite zu gehen. Verstaatlichung und Reprivatisierung würde das nicht ändern. Während der Austausch der Bankvorstände, die uns diese Krise eingebrockt haben, gerecht und sinnvoll wäre, würde letztlich der Tausch einer mächtigen Vorstandsriege gegen eine andere lediglich die Namen der Oligarchen ändern. Idealerweise müssten die Großbanken bei ihrem Verkauf in mittelgroße Teile aufgespalten werden, indem man sie entweder nach Regionen oder Geschäftsbereichen unterteilt. Wo dies aus praktischen Gründen nicht möglich ist, weil man die Bank schnell verkaufen will, dann muss dies unter der Auflage geschehen, dass die Bank innerhalb kurzer Zeit aufgeteilt wird. Banken, die in privater Hand verbleiben, sollten ebenfalls auf eine bestimmte Größe begrenzt werden.

Dies mag als ein harter und widersprüchlicher Schritt erscheinen, aber es ist der beste Weg, um die Macht von einzelnen Institutionen in einem Wirtschaftssektor zu begrenzen, der wesentlich für die Wirtschaft als Ganzes ist. Natürlich werden sich manche über die Effizienzverluste beklagen, die mit einem mehr fragmentiertem System einhergehen und tatsächlich vorliegen. Aber das sind auch die Kosten, die entstehen, wenn eine Bank, die "too big to fail" ist, und damit eine finanzielle Massen- (selbst-)vernichtungswaffe darstellt, explodiert. Alles was zu groß ist, um Pleite zu gehen, ist auch zu groß, um am Leben erhalten zu werden.

Um die systematische Restrukturierung der Banken sicherzustellen, und um den eventuellen Wiederaufstieg von gefährlichen Riesen zu verhindern, müssen auch die Kartellgesetze verschärft werden. 100 Jahre alte Gesetze, die Industriemonopole bekämpfen sollten, sind nicht für die jetzigen Probleme gemacht worden. Das heutige Problem im Finanzsektor ist nicht, dass eine bestimmte Firma möglicherweise eine Marktstellung erreicht, um Preise zu beeinflussen. es geht darum, dass eine Firma oder eine Verbindung von kleinen Firmen die Wirtschaft schädigen können, wenn sie Pleite gehen. Das Konjunkturpaket der Obama Administration beschwört FDR (Franklin Delano Roosevelt), aber jetzt müssen wir Kartelle aufbrechen so wie Teddy Roosevelt.

Die Deckelung von Managergehältern könnte hilfreich sein, um das Vertrauen in das politische Machtgleichgewicht wieder herzustellen und den Aufstieg von neuen Oligarchen zu verhindern, auch wenn es nach Populismus riecht. Die Hauptanziehungskraft der Wall Street - für die dort beschäftigten Angestellten und die Regierungsvertreter, die nur zu gerne in ihrem Ruhmesglanz sonnten - ging von den atemberaubenden Geldsummen aus, die man dort verdienen konnte. Wenn man diese Gelder begrenzt, würde man (auch) den Reiz des Finanzsektors reduzieren und ihn eher zu einer Industrie wie jede andere machen.

Dennoch sind direkte Gehaltsobergrenzen unbeholfen, vor allem langfristig. Und das meiste Geld wird heute in größtenteils unregulierten Hedgefonds und Private-Equity-Fonds verdient, so dass eine Gehaltskürzung schwierig werden würde. Regulierung und Besteuerung sollten Teil der Lösung sein. Aber mit der Zeit sollte der Großteil der Lösung aus mehr Transparenz und Wettbewerb bestehen, der die Gebühren der Finanzindustrie senkt. Wer darauf entgegnet, dass dies die finanziellen Aktivitäten in andere Länder lenkt, dem können wir nun sicher sagen: Prima.

Zwei Wege

Um Joseph Schumpeter, den Ökonom des frühen 20. Jahrhunderts, zu zitieren: Jeder hat Eliten. Das Wichtigste ist, sie von Zeit zu Zeit auszuwechseln. Wenn die USA ein anderes Land wären und zum IWF mit dem Hut in der Hand kämen, sollte ich ziemlich optimistisch für ihre Zukunft sein. Die meisten der Krisen von Schwellenländern, die ich erwähnt habe, endeten relativ schnell, und gewährten zum Großteil einer relativ robusten Erholung Vorfahrt. Ach, aber dies bringt uns zu den Grenzen der Vergleichbarkeit von den USA mit Schwellenländern.

Schwellenländer haben einen lediglich unsicheren Wohlstand und sind internationale Schwächlinge. Wenn sie in Schwierigkeiten geraten, dann geht ihnen buchstäblich das Geld aus, oder wenigsten das ausländische, ohne das sie nicht überleben können. Sie müssen schwierige Entscheidungen treffen. Letztich kommt aggressives Handeln ins Spiel. Aber die USA sind natürlich die mächtigste Nation weltweit, über alle Maßen reich und mit dem außergewöhnlichen Privileg gesegnet, ihre Schulden in der eigenen Währung bezahlen zu können, die sie selbst drucken kann. Im Endeffekt könnten sie sehr gut noch ein paar Jahre umhertaumeln, so wie Japan während seines verlorenen Jahrzehnts (lost decade), und niemals den Mut aufbringen das Notwendige zu tun und sich niemals wirklich erholen. Ein sauberer Bruch mit der Vergangenheit, die Übernahme und Bereinigung des Bankensektors inbegriffen, sind momentan nicht wie eine ausgemachte Sache aus. Sicherlich kann niemand vom IWF dies erzwingen.

In meinen Augen ergeben sich für die USA zwei mögliche Szenarien. Die erste beinhaltet komplizierte Lösungen für jede einzelne Bank und ein kontinuierliches Trommelfeuer von wiederholten Rettungen, wie wir sie bereits im Februar bei Citigroup und AIG gesehen haben. Die Regierung wird versuchen sich durchzumogeln, und es wird Verwirrung herrschen.

Boris Fyodorov, der verstorbene Finanzminister von Russland, kämpfte zu einem Großteil während der letzten 20 Jahre gegen die Oligarchen, Korruption und Machtmissbrauch in allen Formen. Er sagte gerne, dass Verwirrung und Chaos sehr im Interesse der Mächtigen liegen, damit sie sich Dinge legal und illegal ungestraft nehmen können. Wenn eine hohe Inflation herrscht, wer kann dann sagen, was ein Stück Land wirklich wert ist? Wenn das Kreditsystem von intriganten staatlichen Abmachungen und Hinterzimmerverträgen gestützt wird, wie weißt du dann, dass du nicht geschröpft wirst?

Unsere Zukunft könnte eine sein, in der ständige Unruhen das Plündern des Finanzsystem fördern und wir reden mehr und mehr darüber wie genau unsere Oligarchen Banditen wurden und wie die Wirtschaft einfach nicht in Gang zu kommen scheint.

Das zweite Szenario beginnt eher düster und endet möglicherweise auch so. Aber es beinhaltet zumindest die Hoffnung, das wir aus unserer Starre aufgerüttelt werden. Es geht ungefähr so: Die Weltwirtschaft gleitet weiter ab, das Bankensystem in Osteuropa bricht zusammen, und weil osteuropäische Banken meistens westeuropäischen Banken gehören, breiten sich berechtigte Zweifel über die Zahlungsfähigkeit von Regierungen über den Kontinent aus. Gläubiger müssen weitere Ausfälle verkraften und das Vertrauen sinkt weiter. Die asiatischen, auf Konsumgüterexport basierenden Wirtschaften liegen am Boden, die Rohstoffproduzenten in Lateinamerika und Afrika sind nicht viel besser dran. Eine dramatische Verschlechterung der weltweiten Verhältnisse zwingt die schon angeschlagene US-Wirtschaft in die Knie. Das mindestens in den Prognosen erwartete Wirtschaftwachstum erweist sich als unrealistisch und das rosarote "Stress-Test-Szenario", das das Finanzministerium zurzeit benutzt, um die Belastbarkeit der Bankbilanzen zu überprüfen wird eine Quelle von großer Verlegenheit.

Unter dieser Art von Druck und mit der Aussicht eines nationalen und globalen Kollaps konfrontiert, werden die Gedanken etwas konzentrierter. Die allgemeine Meinung in der Elite ist immer noch, dass der aktuelle Einbruch "nicht so schlimm wie in der Weltwirtschaftskrise (1929) sein kann". Diese Ansicht ist falsch. Womit wir konfrontiert sind, könnte in Wirklichkeit schlimmer sein als die Weltwirtschaftskrise - weil die Weltwirtschaft so sehr verflochten und der Bankensektor heute so groß ist. Wir erleben einen synchronisierten Abschwung in fast allen Ländern und ein abnehmendes Vertrauen unter den Menschen und den Firmen, und große Probleme für die Staatsfinanzen. Wenn sich unsere Führung der möglichen Konsequenzen bewusst wird, könnten wir noch Zeugen dramatischer Schritte im Bankensektor werden und ein Zusammenbruch der alten Elite. Lasst uns gemeinsam hoffen, dass es dann noch nicht zu spät ist.



Der leise Staatsstreich Teil I, Teil II, Teil III

Weitere Artikel:

Phantasieanregend (Dokumentation mit engl. Untertiteln zur argentinischen Finanzkrise von 2001 und der Rolle des IWF in dieser. Dann weiß man, was Johnson meint, wenn er von möglichen Unruhen, Aufständen und Chaos spricht. Er weiß, wovon er da spricht. Sehr empfehlenswert)

Das von Johnson beschriebene Verfahren zur Bankenrettung wird auch schon seit eh und je von Roubini gefordert. Stichwort Triage: Anatomie einer Finanzkrise

Wall Street ist ein Ponzi Scheme
Must see: Max Keiser Interview
Der Ein-Finger-Gruß
Kommt ein perfekter Sturm

Nachtrag 28.05.2009: Das Handelsblatt berichtete in seiner Ausgabe vom 26.05.2009 über die Äußerungen von Simon Johnson (Danke an Politeia für den Hinweis)


Sonntag, 12. April 2009

Der leise Staatsstreich (Teil III)


Das ist die Fortsetzung (3/4) des faszinierenden Artikels vom ehemaligen IWF Chef-Ökonom Simon Johnson. Er betreibt auch das Blog "The Baseline Scenario", das ihr in meiner Blog-Liste findet. Ich bin auf ihn durch ein Interview mit Bill Moyers aufmerksam geworden. Er gehört für mich zu den wenigen Stimmen in diesem Dschungel, die es Wert sind, auf sie zu hören.

Sein Artikel "The Quiet Coup" erscheint in der Mai Ausgabe des "Atlantic" und ist jetzt schon online.

(Nachzügler werden hier fündig: Der leise Staatsstreich Teil I, Teil II)

Der leise Staatsstreich (Teil III)

Der Crash hat viele unschöne Wahrheiten über die Vereinigten Staaten aufgedeckt. Eine der alarmierendsten ist, dass die Finanzindustrie quasi die Regierung übernommen hat, sagt ein ehemaliger IMF-Chefokönom - ein Zustand, der eher auf Schwellenländer zutrifft und im Zentrum von vielen Krisen von Schwellenländern steht. Wenn das IMF-Personal offen über die USA sprechen könnte, würde es den Rat geben, den sie allen Ländern in dieser Lage gibt: Es gibt keine Erholung bis wir mit der Finanzoligarchie gebrochen haben, die grundlegende Reformen blockiert. Und wenn wir eine wirkliche Depression verhindern wollen, wird die Zeit knapp.

Amerikas Oligarchen und die Finanzkrise

Die Oligarchie und das sie unterstützende Regierungshandeln verursachten nicht allein die Finanzkrise, die letztes Jahr ausbrach. Viele andere Faktoren trugen als Randerscheinungen der Finanzwelt ebenfalls dazu bei, wie die viel zu hohe Verschuldung der Privathaushalte und die zu laschen Kreditbedingungen. Aber große Geschäfts- und Investmentbanken - und mit ihnen auch Hedgefonds - waren die großen Profiteure dieser doppelten Immoblilien- und Aktienblase des letzten Jahrzehnts: Das immer weiter gestiegene Transaktionsvolumen, das auf einem relativ kleinen Bestand an tatsächlichem, physischem Vermögen basierte, sorgte für Gewinne. Jedes Mal, wenn ein Kredit vergeben, gebündelt, verbrieft und weiterverkauft wurde, verdienten die Banken Transaktionsgebühren, so wie sich auch Hedgefonds immer höhere Gebühren einverleibten mit steigenden Anlagevolumen.

Weil alle immer reicher wurden, und der nationale Wohlstand so stark vom Wachstum der Immoblien- und Finanzmärkte abhing, fragte niemand in Washington was eigentlich los war. Statt dessen wiederholten FED-Chef Greenspan und Präsident Bush gebetsmühlenartig, dass die Wirtschaft grundsätzlich stabil sei und das ernorme Wachstum an komplexen Wertpapieren und credit default swaps ein Beweis für eine gesunde Wirtschaft sei, die die Risiken auf sichere Weise verteile.

Im Sommer 2007 tauchten die ersten Stresssymptome auf. Der Boom hatte soviele Schulden produziert, dass selbst ein leichtes Stottern der Wirtschaft massive Probleme hätte auslösen können, und steigende Ausfallraten bei Subprime-Hypotheken erwiesen sich als der Stolperstein. Seitdem verhielten sich der Finanzsektor und die Bundesregierung genauso wie man es erwartet hätte - unter dem Blickwinkel der vergangnen Krisen in Schwellenländern.

Jetzt stehen die Prinzen der Finanzwelt als Führer und Strategen natürlich mit runter gelassenen Hosen da - wenigstens in den Augen der meisten Amerikaner. Aber über die vergangenen Monate hinweg haben die Finanzeliten weiter angenommen, dass ihre Stellung als Lieblingskind sicher ist, trotz der Trümmer, die sie hinterlassen haben.

Stanley O´Neal, Vorstandsvorsitzender von Merrill Lynch, trieb quasi seine Firma in das Hypothekenverbriefungsgeschäft (mortgage-backed-securities market) auf dessen Höhepunkt in 2005 und 2006 . Im Oktober 2007 gab er zu:"Die Quintessenz ist: Wir - ich - habe mit dem Überengagement in Subprime daneben gelegen, und wir litten daher an der ungenügenden Marktliquidität. Niemand ist mehr als ich enttäuscht über das Ergebnis." O´Neal nahm im Jahr 2006 14 Millionen Dollar mit nach Hause. Im Jahr 2007 verließ er Merill Lynch mit einem Abfindungspaket im Wert von 162 Millionen Dollar, auch wenn es heute vermutlich viel weniger Wert ist.

Berichten zufolge verlangte John Thain, Merill Lynch letzter Vorstandsvorsitzender, im Oktober bei seinen Vorstandskollegen einen Bonus von 30 Millionen Dollar (oder mehr) und verringerte seine Forderung letztlich auf 10 Millionen Dollar im Dezember. Er nahm dann letztlich seine Foderung, die das Wall Street Journal verbreitet hatte, unter einem Proteststurm zurück. Merill Lynch war als Ganzes auch nicht besser: Sie zogen ihre Bonuszahlungen von insgesamt 4 Milliarden Dollar auf den Dezember vor, vermutlich weil sie die Möglichkeit ausschließen wollten, dass die Zahlungen durch die Bank of Amerika reduziert werden, die am 1. Januar Eigentümerin von Merill Lynch geworden ist.

Wall Street zahlte 18 Milliarden an Jahresboni an seine New Yorker Angestellten, nachdem die Regierung 243 Milliarden Dollar an Nothilfen an den Finanzsektor gezahlt hat. Bei einer Finanzkrise muss die Regierung sowohl schnell als auch mit aller Macht handeln. Die Wurzel des Problem ist Unsicherheit - in unserem Fall, die Unsicherheit darüber, ob die großen Banken genügend Vermögen haben, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Halbherziges Handeln in Verbindung mit Wunschdenken und einer Aussitz-Mentalität können diese Unsicherheit nicht beseitigen. Und je länger die Antwort ausbleibt, desto länger wird die Unsicherheit den Kreditfluss behindern, das Verbrauchervertrauen unterminieren und die Wirtschaft lähmen - schließlich wird das Problem viel gravierender. Bislang bestanden die grundsätzlichen Lösungsansätze der Regierung für die Finanzkrise aus Verzögerung, mangelnder Transparenz und mangelndem Willen, den Finanzsektor zu stürzen.

Das bisherige Handeln läßt sich vielleicht am besten umschreiben mit "Handeln durch Verhandeln": Wenn ein großes Finanzinstitut in Schwierigkeiten gerät, dann organisierten das Finanzministerium und die Notenbank einen Rettungsplan (bail out) über das Wochenende und am Montag verkündeten sie dann, dass alles in Ordnung sei. Im März 2008 wurde Bear Stearns an J.P. Morgan verkauft, was für viele wie ein Geschenk an J.P. Morgan aussah. (Jamie Dimon, Chef von J.P. Morgan, sitzt im Vorstand der FED New York, die zusammen mit dem Finanzminister den Verkauf vermittelt hat). Im September haben wir den Verkauf von Merill Lynch an Bank of Amerika gesehen, die erste Rettungsaktion für AIG, die Übernahme und den sofortigen Verkauf von Washington Mutual an J.P. Morgan - alle vermittelt durch die Regierung. Im Oktober wurden neun große Banken alle am gleichen Tag hinter verschlossenen Türen in Washington rekapitalisiert. Im Gegenzug gab es nachfolgend die zusätzlichen Rettungsaktionen für Citigroup, AIG, Bank of Amerika, Citigroup (erneut) und AIG (erneut).

Einige dieser Aktionen mögen vernünftige Antworten auf die aktuelle Situation gewesen sein. Aber es war niemals klar, welches Interessengemisch wie bedient wurde. Finanzminister und Notenbank haben nie nach vorher veröffentlichen Leitlinien gehandelt, sondern einfach eine Vereinbarung ausgearbeitet und nachher behauptet, das sei das Beste gewesen, was man unter diesen Umständen hätte erreichen können. Dies waren Mitternachts-, Hinterzimmergeschäfte, ganz einfach.

Die ganze Krise hindurch war die Regierung extrem darauf bedacht, bloß nicht die Interessen des Finanzsektors anzutasten oder die Grundsätze des Systems in Frage zu stellen, das uns hierher gebracht hat. Im Semptember 2008 beantragte Henry Paulson beim Kongress 700 Milliarden Dollar um den Banken vergiftete Wertpapiere abzukaufen, ohne Beschränkungen und ohne Möglichkeit einer rechtlichen Nachprüfung der Entscheidungen. Viele Beobachter hatten den Verdacht, dass für die Wertpapiere zu viel bezahlt werden sollte und damit das Problem den Banken abgenommen werden sollte - in der Tat ist dies die einzige Möglichkeit, wie der Aufkauf von vergifteten (Schrott-) Wertpapieren hätte nützen können. Vielleicht weil es keinen Weg gab, für diese offensichtliche Subvention politische Akzeptanz zu gewinnen, wurde der Plan zurück gestellt.

Statt dass das Geld dafür benutzt wurde, um die Banken zu rekapitalisieren, wurden Anteile von diesen gekauft zu sehr großzügigen Konditionen. Als sich die Krise verschärfte und die Finanzinstitute noch mehr Hilfe benötigten, erfand die Regierung immer kreativere Wege, den Banken Zuschüsse zu geben, ohne dass die Öffentlichkeit dies aufgrund der Komplexität nachvollziehen konnte. Das erste Rettungspaket für AIG, das noch relativ steuerzahlerfreundlich war, wurde ergänzt durch drei weitere Stützungsaktionen, deren Bedingungen eher AIG-freundlich waren. Das zweite Rettungspaket für die Citigroup und das Rettungspaket für die Bank of Amerika beinhalteten komplexe Ausfallbürgschaften, die den Banken unter Marktpreis gewährt wurden. Das dritte Rettungspaket für die Citigroup Ende Februar verwandelte Vorzugsaktien des Staates in Stammaktien unter Zugrundelegung eines wesentlich zu hohen Aktienkurses - das ist ein Zuschuss, den wahrscheinlich selbst die meisten Wall Street Journal-Leser beim ersten Lesen übersehen würden. Und die neuen Wandelvorzugsaktien, die das Finanzministerium unter dem Financial Stability Plan aufkaufen wird, sehen vor, dass den Banken und nicht der Regierung das Ausübungsrecht zusteht, so dass der Vorteil auf ihrer Seite ist (Anm. da sie entscheiden, ob sie von der Option Gebrauch machen oder nicht, je nach wirtschaftlicher Entwicklung).

Der letzte Plan, mit dem wahrscheinlich billige Kredite an Hedgefonds und andere herausgeben werden, damit diese (Anm. mit drohenden Abschreibungen) belastete Wertpapiere der Banken zu relativ hohen Kursen aufkaufen, ist im Wesentlichen vom Finanzsektor beeinflusst, und das Finanzministerium hat daraus auch keinen Hehl gemacht. Wie Neel Kashkari, verantwortlicher Ministerialbeamte im Finanzministerium sowohl unter Henry Paulson als auch unter Tim Geithner (und ehemaliger Goldman Sachs Mitarbeiter), im März vor dem Kongress aussagte: "Bei uns sind unaufgefordert Vorschläge von Privatleuten eingegangen, die besagen, "wir haben noch frisches Geld, wir wollen auf die (abschreibungsbedürftigen) Wertpapiere bieten." Und der Plan läßt genau dieses zu. "In dem man Geld der Regierung bzw. des Steuerzahlers mit dem Geld von privaten Anlegern zusammenführt und zur Finanzierung bereitstellt, kann man die Anleger dazu bewegen, auf diese Wertpapiere zu bieten zu einem Preis, der sowohl für die Anleger als auch für die Banken sinnvoll ist." Kashkari erwähnte nicht was für die dritte beteiligte Gruppe sinnvoll ist: Die Steuerzahler.

Eben weil die Fairness gegenüber dem Steuerzahler auf der Strecke bleibt, wenn die Regierung die Banken nur mit Samthandschuhen anfasst, muss man aus einem Grund tief besorgt sein: Es ist unangebracht, das Verhalten des Finanzsektors zu dessen Bedingungen zu ändern, zu einer Zeit, in der sich dieses Verhalten ändern muss (im Original: it is inadequate to change the behavior of a financial sector accustomed to doing business on its own terms, at a time when that behavior must change. Übersetzungsalternativen?). Ein nicht namentlich genannter leitender Bankangestellter sagte der New York Times im letzten Herbst:" Es spielt keine Rolle wieviel Hank Paulson uns gibt. Niemand wird uns einen Pfennig leihen, solange es mit der Wirtschaft nicht aufwärts geht." Und das ist der Punkt: Die Wirtschaft kann sich nicht erholen, solange die Banken nicht gesund sind und bereit Kredite zu vergeben.

Fortsetzung folgt


Der leise Staatsstreich Teil I, Teil II, Teil IV
Finanzkrisenbuchstabensuppe für Einsteiger

Wall Street ist ein Ponzi Scheme
Der Ein-Finger-Gruß
Kommt ein perfekter Sturm

Samstag, 11. April 2009

Der leise Staatsstreich jetzt auch in Deutschland?

Falls sich gerade jemand nach der Lektüre von "Der leise Staatsstreich" fragen sollte, wieso denn die Amerikaner so blöd sind, dass sie es zulassen, dass ihr Land zu einer Bananenrepublik verkommt, den kann ich getrost auf den neuen Vorschlag "unseres" Finanzministers Peer Steinbrück verweisen, der nun doch die Idee der Bad Bank aufgreifen möchte und im Zuge dessen 200 Mrd EUR an Steuergeldern verpulvern will. Als hätten wir nicht schon genug von diesen bad banks. Wie wäre es mal mit einer guten Bank? Haben die sich jetzt das Osterwochenende für die Veröffentlichung dieser Idee in der Hoffnung ausgesucht, dass nach den Feiertagen sich keiner mehr daran erinnert?

Also wer blöder ist, die Amerikaner oder die Deutschen, wird sich wohl demnächst herausstellen. Ich würde nicht wetten...


Alles was zu diesem Thema gesagt werden muss, steht bei Radio Utopie.

Der leise Staatsstreich (Teil II)


Dies ist der zweite Teil des Artikels "The Quiet Coup" vom ehemaligen IWF-Chef-Ökonom Simon Johnson, in dem er beschreibt, wie die Wall Street es über die Jahre fertig gebracht hat, die politischen Entscheidungsträger in Washington so zu beeinflussen, dass letztlich die Interessen der USA hinter denen der Finanzindustrie zurückgestellt wurden.

Wer den ersten Teil der Übersetzung verpasst haben sollte, kann hier klicken. Übersetzungsfehler oder Verbesserungsvorschläge bitte als Kommentar.

Der leise Staatsstreich (Teil II)

Der Verbindungsgang zwischen Wall Street und Washington



Natürlich, die USA sind einzigartig. Und genau wie wir die am besten entwickelten Finanzmärkte haben, das beste Militär und die beste Technologie, haben wir auch die am besten entwickelte Oligarchie.

In einem primitiven politischen System wird die Macht durch Gewalt ausgeübt oder die Drohung mit Gewalt: Militärputsche, private Milizen und so weiter. In einem weniger primitiven System wie typischerweise in Schwellenländern, wird die Macht durch Geld vermittelt: Bestechung, Rückvergütung und Auslandskonten. Zwar spielen Lobbyisten und Wahlkampfspenden sicherlich eine große Rolle im politischen System der USA, altmodische Korruption - mit 100 Dollarnoten gefüllte Umschläge - ist heute möglicherweise nur noch ein Nebenkriegsschauplatz trotz Jack Abramoff (ein wegen Betruges verurteilter Lobbyist aus dem Lager der Republikaner).

Statt dessen gewann die amerikanische Finanzindustrie dadurch an politischer Macht, dass sie eine Art von kulturellem Kapital anhäufte: Ein Glaubenssystem. Was einmal vielleicht gut war für General Motors, war auch gut für das ganze Land. Seit dem letzten Jahrzehnt hat sich die Einstellung durchgesetzt, dass was für die Wall Street gut ist, ist auch gut für das Land. Die Finanzindustrie wurde zu einem der größten Wahlkampffinanzierer, aber auf ihrem Höhepunkt an Einfluss, musste sie sich nicht mit Gefälligkeiten freikaufen, wie zum Beispiel die Zigaretten- oder Rüstungsfirmen. Statt dessen profitierten sie von dem Umstand, dass die Washingtoner Insider bereits selbst glaubten, dass große Finanzinstitute und ein freier Kapitalmarkt wesentlich für Amerikas Rolle in der Welt waren.

Ein Kanal der Einflussnahme war selbstverständlich der Austausch von Personen zwischen Wall Street und Washington. Robert Rubin, einst Vize-Chef von Goldman Sachs, diente in Washington unter Clinton als Finanzminister und wurde später Vorstandschef von Citigroup. Henry Paulson, Vorstandschef von Goldman Sachs während der langen Boomphase, wurde Finanzminister unter George W. Bush. John Snow, der Vorgänger von Paulson, wurde nach seinem Ausscheiden Chef von Cerberus Capital Management, einem großen Private-Equity-Fonds zu dessen Vorstand auch Dan Quayle gehört. Nachdem Alan Greenspan die FED verließ, wurde er Berater von PIMCO, der vielleicht größten Nummer im internationalen Anleihegeschäft.

Diese persönlichen Verflechtungen vervielfachten sich auf den Ebenen darunter während der letzten drei Präsidentschaften, und verstärkten die Verbindungen zwischen Wall Street und Washington. Es ist zu einer Art Tradition geworden, dass Mitarbeiter von Goldman Sachs nach ihrem Ausscheiden in den Staatsdienst wechseln. Dieser Fluss von Ehemaligen von Goldman Sachs - einschließlich Jon Corzine, jetzt Governeur von New Jersey, zusammen mit Rubin und Paulson - platzierte nicht nur Leute mit der Weltsicht von Goldman Sachs in die Hallen der Macht, sondern half auch Goldman Sachs ein Bild von sich selbst als einer Art von öffentlicher Insitution zu erschaffen.

Wall Street ist ein sehr verführerischer Ort, getränkt mit einem Hauch von Macht. Ihre Vorstände glauben wirklich, dass sie an den Hebeln sitzen, die die Welt bewegen. Einem Staatsbediensteten aus Washington, der in ihre Konferenzräume eingeladen wurde, wenn auch nur für ein Meeting, könnte vergeben werden, falls er ihrem Einfluss erläge. Während meiner Zeit beim IMF war ich davon beeindruckt, wie leicht führende Banker Zugang zu höchsten US-Regierungsvertretern bekamen und von den Überschneidungen der beiden Karrierepfade. Ich erinnere mich lebhaft an ein Treffen Anfang 2008 von höchsten Politikern aus einer handvoll reicher Länder, bei dem der Vorsitzende beiläufig unter dem allgemeinem Beifall der Anwesenden erwähnte, dass es die beste Vorbereitung sei, zunächst als Investmentbanker zu arbeiten, um Zentralbankchef zu werden.

Eine ganze Generation von Politikern war fasziniert von Wall Street, immer und vollständig überzeugt, dass alles wahr sei, was auch immer die Banken sagten. Die Äußerungen von Alan Greenspan zugunsten von unregulierten Finanzmärkten sind wohl bekannt. Aber Greenspan war bei weitem nicht allein. Das sagte sein Nachfolger Ben Bernanke in 2006: "Das Management von Markt- und Kreditrisiken ist immer durchdachter geworden ... Finanzorganisationen jeder Größe haben in den letzten beiden Jahrzehnten substantielle Fortschritte in ihrer Fähigkeit Riskiken zu messen und zu managen gemacht.


Natürlich war dies zum großen Teil nur eine Illusion. Fast alle Regulierer, Gesetzgeber und Wissenschaftler haben angenommen, dass die Manager dieser Banken wussten, was sie taten. Rückblickend wussten sie es nicht. Die Abteilung der AIG für Finanzinnovationen (AIGFP) machte zum Beispiel in 2005 einen Vorsteuergewinn von 2,5 Mrd Dollar, größtenteils durch den Verkauf von zu billigen Versicherungen für komplexe, schlecht verstandene Wertpapiere. Diese Strategie, die auch "Kleingeld vor einer Dampfwalze einsammeln" genannt wird, ist in gewöhnlichen Jahren profitabel und in schlechten katastrophal. Wie im letzten Herbst als AIG Versicherungen für Wertpapiere im Wert von 400 Mrd Dollar ausgereicht hatte. Heute ist die US-Regierung mit rund 180 Mrd Dollar bei AIG durch Beteiligungen und Krediten engagiert, um Verluste abzudecken,die laut dem ausgeklügelten Risikomodell von AIG eigentlich angeblich unmöglich waren.

Wall Street verführerische Macht reichte sogar oder gerade bis zu den Professoren für Finanzen und Wirtschaft, die seit jeher eingepfercht sind in enge Büros von Universitäten und auf der Jagd nach Nobelpreisen. Als die Finanzmathematik immer wichtiger für die Praxis wurde, übernahmen die Professoren zunehmend Positionen als Berater oder Partner von Finanzinstitutionen. Myron Scholes und Robert Merton, beides Nobelpreisträger, waren die vielleicht berühmtesten. Sie waren beide 1994 im Vorstand des Hedgefonds LTCM (Long Term Capital Management), bevor der Fonds bekanntermaßen Ende des Jahrzehnt in Rauch aufging. Aber viele andere schlugen ähnliche Wege ein. Diese Wanderung gab der aufkeimenden Welt der Hochfinanz das Siegel der wissenschaftlich Legitimation (und die sofortige Aura der intellektuellen Strenge).

Da immer mehr der Reichen ihr Geld mit Finanzgeschäften machten, sickerte der Finanzkult auch in breitere Schichten durch. Bücher wie "Babarians at the Gate", "Wall Street" und "Bonfire of the Vanities" - alle sollten warnende Erzählungen sein - unterstützten nur den wachsenden Wall Street Mythos. Michael Lewis merkte in seinem Buch "Portfolio" aus letztem Jahr an, dass, als er Liars Poker 1989 schrieb, gehofft hatte, einen Aufschrei über die Hybris und Exzesse von Wall Street zu provozieren. Aber statt dessen fand er sich knietief in Briefen von Studenten der Ohio Universität wieder, die wissen wollten, ob er noch mehr solcher Geheimnisse mitteilen könne. "Sie hatten mein Buch als Gebrauchsanweisung verstanden." Auch die Kriminellen von Wall Street, wie Mike Milken und Ivan Boesky, wurden überlebensgroß. In einer Gesellschaft, die die Idee des Geldverdienens hochjubelt, ist es einfach abzuleiten, dass die Interessen des Finanzsektor sich mit den Interessen des Landes decken - und dass die Gewinner aus dem Finanzsektor besser wüßten was gut für das Land ist als die Staatsdiener in Washington. Der Glaube in freie Finanzmärkte wurde zur Alltagsweisheit - herausposaunt auf der Leitartikelseite des Wall Street Journals und im Kongress.

Aus dem Zusammenspiel von Wahlkampffinanzierung, persönlichen Verbindungen und Ideologie entsprang im letzten Jahrzehnt ein Fluß von Deregulierung, der rückblickend erstaunlich ist:

  • freier internationaler Kapitalverkehr
  • die Aufhebung der Regularien aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise mit der Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken
  • Vebot des Kongresses credit default swaps zu regulieren
  • wesentlich höhere Kreditaufnahme durch Investmentbanken zugelassen, so dass ein höheres leverage erlaubt war.
  • schwache (um nicht zu sagen nicht vorhandende) Zügel der Börsenaufsicht SEC bei der Durchsetzung der Regeln
  • internationales Abkommen, dass die Banken ihre Risikoanfälligkeit selbst messen dürfen
  • und ein absichtliches Ausbleiben von neuen Regularien, die für die Finanzinnovationen notwendig gewesen wären.

Die diese Maßnahmen begleitende Stimmung schien in Washington zwischen Gleichgültigkeit und ausgelassener Feierstimmung zu pendeln. Ungezügelte Finanzen, so dachte man, würden die Wirtschaft immer weiter zu neuen Höhen antreiben.

Fortsetzung folgt über die Ostertage.
Der leise Staatsstreich Teil I, Teil III)


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Freitag, 10. April 2009

Der leise Staatsstreich

Aus Zeitgründen habe ich mich in den letzten Wochen etwas mit Blogbeiträgen zurückgehalten. Für diejenigen unter Euch, denen die Videos nicht so gefallen haben, habe ich jetzt zu Ostern ein Angebot zur Wiedergutmachung. Ein faszinierender Artikel vom ehemaligen IWF Chef-Ökonom Simon Johnson. Er betreibt auch den Blog "The Baseline Scenario", den ihr in meiner Blog-Liste findet. Ich bin auf ihn durch ein Interview mit Bill Moyers aufmerksam geworden. Er gehört für mich zu den wenigen Stimmen in diesem Dschungel, die es Wert sind auf sie zu hören.

Weil ich seinen Artikel so großartig finde, und ich befürchte, dass ihn niemand im Original liest, habe ich mir erlaubt, ihn zu übersetzen und hoffe, dass einige diese Einladung annehmen, auch wenn der Artikel relativ lang ist. Aber wir haben ja jetzt die Feiertage und da kann man sich den Artikel ja schön in vier Teilen peu a peu zu Gemüte führen. Euch muss also nicht langweilig werden über die Feiertage. Hier also der Artikel "The Quiet Coup", der in der Mai Ausgabe des "Atlantic" erscheint und jetzt schon online steht.


Der Crash hat viele unschöne Wahrheiten über die Vereinigten Staaten aufgedeckt. Eine der alarmierendsten ist, dass die Finanzindustrie quasi die Regierung übernommen hat, sagt ein ehemaliger IMF-Chefokönom - ein Zustand, der eher auf Schwellenländer zutrifft und im Zentrum von vielen Krisen von Schwellenländern steht. Wenn das IMF-Personal offen über die USA sprechen könnte, würde es den Rat geben, den sie allen Ländern in dieser Lage gibt: Es gibt keine Erholung bis wir mit der Finanzoligarchie gebrochen haben, die grundlegende Reformen blockiert. Und wenn wir eine wirkliche Depression verhindern wollen, wird die Zeit knapp.


Der leise Staatsstreich


Eines lernt man ziemlich schnell, wenn man beim Internationalen Währungsfonds (IWF/IMF) arbeitet: Niemand ist jemals sehr glücklich, wenn er dich sieht. Unsere "Kunden" suchen uns erst auf, nachdem privates Kapital geflohen ist, nachdem regionale Handelsblockpartner nicht in der Lage waren, eine genügend starke Rettungsleine zu reichen, nachdem ein letzter Versuch gescheitert ist, sich Mittel von mächtigen Freunden wie China oder der EU zu leihen. Du bist nie die erste Wahl.

Der Grund liegt natürlich darin, dass der IMF darauf spezialisiert ist, seinen Kunden das zu sagen, was sie nicht hören wollen; Ich muss das wissen. Während meiner Zeit beim IWF als Chefökonom in 2007 und 2008 drängte ich vielen ausländischen Vertretern schmerzliche Veränderungen auf. Und ich merkte die Folgen des Drucks des IMF, zumindest indirekt, als ich mit den Regierungen in Osteuropa zusammenarbeite, als sie sich nach 1989 abmühten, und auch bei der Privatwirtschaft in Asien und Lateinamerika während der Krise der späten 90 er und nach der Jahrtausendwende. Während dieser Zeit sah ich aus jedem Blickwinkel den stetigen Fluss von Offiziellen - aus der Ukraine, Russland, Thailand, Indonesia, Süd-Korea und sonst woher -, die sich zum Fonds schleppten, als die Umstände schlimm waren und alles andere versagt hatte.

Natürlich ist jede Krise anders. Die Ukraine erlebte in 1994 eine Hyperinflation; Russland brauchte dringend Hilfe, als ihr Finanzierungsplan für kurzfristige Verbindlichkeiten explodierte im Sommer 1998; die indonesische Rupiah verfiel in 1997 und planierte fast die private Wirtschaft; im gleichen Jahr endete das 30 jährige Wirtschaftwunder in Südkorea, als ausländische Banken sich plötzlich weigerten neue Kredite zu vergeben.

Aber ich muss Ihnen sagen, für IMF-Mitarbeiter sahen diese Krisen alle bedrückend gleich aus. Natürlich brauchte jedes Land einen Kredit, aber darüber hinaus musste jedes Land große Veränderungen durchführen, damit der Kredit auch wirklich wirken konnte. Fast immer müssen die Krisenländer nach einer Phase des Exzesses lernen, nicht über ihre Verhältnisse zu leben - Exporte mussten gesteigert und Importe verringert werden - und dabei ist das Ziel, eine fürchterliche Rezession zu vermeiden. Natürlich wenden die IMF-Ökonomen Zeit dafür auf, um die verschiedene Politiken zu entwerfen - Haushalt, Geldmarkt, und ähnliches - die in diesem Zusammenhang Sinn machen. Dennoch ist es selten schwierig die wirtschaftliche Lösung auszuarbeiten.

Nein, die wirklichen Bedenken der führenden IMF-Mitarbeiter und das größte Hindernis für eine Erholung bestehen meistens ausnahmslos in der Politik der Krisenländern.

Typischerweise sind die Länder aus einem einfachen Grund in einer verzweifelten wirtschaftlichen Lage: die mächtigen Eliten in den Ländern schossen in guten Zeiten über das Ziel hinaus und gingen zu viele Risiken ein. Regierungen von Schwellenländern und ihre Verbündeten im Privatsektor sind gemeinsam eng verbunden und bilden -meistens- eine vornehme Oligarchie, die das Land eher wie ein nach Gewinn strebendes Unternehmen führt, bei dem sie die Mehrheitsaktionäre sind. Wenn ein Land wie Indonesien oder Südkorea oder Russland wächst, dann wachsen gleichzeitig die Ambitionen der Wirtschaftskapitäne. Als Herrscher ihrer kleinen Welt investieren diese Leute sicher zum Nutzen der gesamten Wirtschaft, aber sie gehen gleichzeitig immer größere Wetten ein. Sie bemerken - in den meisten Fällen zu recht -, dass ihre politischen Verbindungen ihnen erlauben werden, alle auftauchenden wesentlichen Probleme bei der Regierung abzuladen.

In Russland ist zum Beispiel der private Sektor deswegen in Schwierigkeiten, weil er sich ungefähr über die letzten fünf Jahre mindestens 490 Mrd Dollar von internationalen Banken und Investoren geliehen hat, in der Annahme, dass der Energiesektor des Landes einen ständigen Anstieg des Energieverbrauchs in allen Bereichen befriedigen kann. Als die russischen Oligarchen ihr Kapital ausgaben, andere Firmen aufkauften und ehrgeizige Investitionspläne verfolgten, die Arbeitsplätze schufen, wuchs ihre Bedeutung für die politische Elite. Wachsende politische Unterstützung bedeutet besserer Zugang zu lukrativen Verträgen, Steuererleichterungen und Subventionen. Und ausländische Investoren hätten nicht mehr erfreut werden können; unter ansonsten gleichen Umständen leihen sie ihr Geld lieber an die Leute, die die unausgesprochene Unterstützung der heimischen Regierung haben, auch wenn diese Unterstützung einen leichten Hauch von Korruption verbreitet.

Aber die Schwellenländer-Oligarchen übertreiben zwangläufig. Sie verschwenden Geld und errichten große Firmenreiche auf einem Berg von Schulden. Heimische Banken sind zu sehr bereit immer mehr Kredite an diese Elite und an die von ihr Abhängigen zu geben - manchmal auf Druck der Regierung. Kreditexzesse gehen immer schlecht aus, sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen oder ein Land. Früher oder später werden die Kreditbedingungen strenger und niemand ist mehr bereit zu annähernd akzeptablen Bedingungen Geld (an diese) zu verleihen.

Die Abwärtsspirale die dann folgt ist bemerkenswert steil. Großé Unternehmen taumeln am Rande der Zahlungsunfähigkeit, und die heimischen Banken, die an sie Geld verliehen haben, brechen zusammen. Gestern noch "öffentlich-private Partnerschaft" (Public-Private-Partnership) genannt, heißt dies dann nur noch Vetternwirtschaft. Ohne Kredit folgt die wirtschaftliche Lähmung und die Verhältnisse werden schlechter und schlechter. Die Regierung ist gezwungen ihre ausländischen Währungsreserven zu reduzieren, um Importe zu bezahlen, Schulden zu bedienen und private Verluste abzudecken. Aber schließlich versiegen diese Reserven. Falls das Land sich nicht vorher selbst in Ordnung bringen kann, wird das Land seine Staatsschulden nicht mehr bedienen können und ein wirtschaftlich Aussätziger werden. In ihrem Bemühen, das Ausbluten zu stoppen, wird die Regierung einige der Wirtschaftsführer, die nun in Geldnot sind, beseitigen müssen und das aus der Balance geratene Bankensystem normalerweise neu aufbauen. Es wird also in anderen Worten zumindest einige der Oligarchen ausquetschen müssen.

Die Oligarchen auszuquetschen ist aber selten das Mittel der Wahl bei Regierungen in Schwellenländern. Ganz im Gegenteil: Am Anfang einer Krise erhalten die Oligarchen gewöhnlich zusätzliche Hilfen von der Regierung, z.B. bevorzugten Zugang zu ausländischer Währung oder vielleicht eine Steuerstundung oder - eine klassische Hilfstechnik des Kreml - die Übernahme von privaten Schuldinhaberverschreibungen durch den Staat. Unter Zwang nimmt die Großzügigkeit gegenüber alten Freunden sehr einfallsreiche Züge an. In der Zwischenzeit, weil man ja "jemanden" ausquetschen muss, wenden sich die Regierungen in Schwellenländern zunächst an die gewöhnliche, arbeitende Bevölkerung - zumindest solange die Aufstände nicht zu groß werden.

Letztlich, wie auch die Oligarchen in Putins Russland nun feststellen, müssen einige in den Eliten verdrängt werden, bevor die Erholung beginnen kann. Es ist die Reise nach Jerusalem: Es sind einfach nicht genügend Währungsreserven da, um sich um jeden zu kümmern, und die Regierung kann es sich nicht leisten alle privaten Schulden zu übernehmen.

Also schaut der IWF-Mitarbeiter dem Finanzminister tief in die Augen und entscheidet, ob es die Regierung jetzt ernst meint. Letzten Endes wird der Fonds selbst einem Land wie Russland einen Kredit geben, aber zuerst will er sicher gehen, dass Premier Putin bereit, willens und in der Lage ist, hart gegenüber ein paar von seinen Freunden zu sein.Wenn er nicht bereit ist, ehemalige Freunde den Wölfen vorzuwerfen, kann der Fonds warten. Und wenn er bereit ist, dann macht der Fonds gerne hilfreiche Vorschläge - besonders im Hinblick darauf, die Kontrolle über das Finanzsystem aus den Händen der am wenigsten kompetenten und habgierigsten "Unternehmer" zu entreißen.

Natürlich werden Putins Ex-Freunde zurückschlagen. Sie mobilisieren Verbündete, bearbeiten das System und üben Druck auf andere Teile der Regierung aus, um zusätzliche Subventionen zu bekommen. In Extremfällen unternehmen sie auch Umsturzversuche - Anrufe bei ihren Kontakten im amerikanischen Establishment der Außenpolitik inbegriffen, so wie es die Ukraine mit einigem Erfolgt in den späten 90´ern tat.

Manche IMF-Programme "laufen aus dem Ruder" (ein Euphemismus) genau weil die Regierung nicht hart bleiben kann gegenüber ehemaligen Günstlingen und die Folgen sind massive Inflation oder andere Katastrophen. Ein Programm kommt wieder in die Spur sobald die Regierung sich durchsetzt oder mächtige Oligarche unter sich selbst ausmachen, wer regieren wird - und daher gewinnen oder verlieren wird - unter dem IMF-gestütztem Plan. Der wirkliche Kampf 1997 in Thailand und Indonesien ging darum, welche Familien ihre Banken verlieren würden. In Thailand wurde es relativ reibungslos gehandhabt. In Indonesien führte es zum Sturz von Präsident Suharto und zu wirtschaftlichem Chaos.


Aufgrund langjähriger Erfahrung wissen die IMF-Mitarbeiter, dass ihr Programm, die Wirtschaft zu stabilisieren und Wachstum zu ermöglichen, erfolgreich sein wird,, falls nur zumindest einige der mächtigen Oligarche einen Schlag abbekommen, die die zugrunde liegenden Probleme geschaffen haben. Dies ist das Problem aller Schwellenländer.

Das Entstehen einer Bananen-Republik

Die Ausmaße und das plötzliche Auftreten der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkrise erinnert in erschütternder Weise an Augenblicke, die wir erst kürzlich in Schwellenländern (und nur in Schwellenländern) gesehen haben: Südkorea (1997), Malaysia (1998), Russland und Argentinien (immer wieder). Jedes Mal zogen die internationalen Anleger ihre Kredite zurück, weil sie fürchteten die Ländern bzw. deren Finanzsektor könne die Schuldenberge nicht mehr abtragen. Und jedes Mal wurde die hausgemachte Angst bestätigt, weil Banken, die ihre Kredite nicht verlängern konnten, tatsächlich zahlungsunfähig wurden. Dies ist genau das, was die Lehman Bros. am 15. September 2008 in die Pleite trieb, was alle Finanzierungsquellen des US-Finanzsektors über Nacht austrocknen ließ. Wie bei einer Krise in einem Schwellenland breitete sich die Schwäche des Finanzsystems schnell im Rest der Wirtschaft aus, was wiederum einen wirtschaftlichen Abschwung und Not für Millionen verursachte.


Aber es gibt eine stärkere und beunruhigendere Parallele: Die Interessen der Wirtschaftselite - Finanziers im Fall USA - spielten bei der Entstehung der Krise eine zentrale Rolle, in dem immer größere Wetten mit der unausgesprochenen Zustimmung der Regierung abgeschlossen wurden bis zum unausweichlichem Zusammenbruch. Noch alarmierender ist, dass sie nun ihren Einfluss nutzen um die dringend benötigten Reformen zu blockieren, um einen weiteren Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Die Regierung erscheint im Kampf gegen sie hilflos oder unwillig. Führende Investmentbanker und Regierungsvertreter sehen die Ursache der aktuellen Krise in den Zinssenkung nach der dot.com- Blase oder - noch besser - in einer Schwarzer Peter Spiel in einer Geldflut aus China. Einige Anhänger des rechten Flügels beschuldigen gerne Fannie Mae und Freddie Mac, oder die langfristigen Bemühungen mehr Leuten Immobilienbesitz zu verschaffen. Und, natürlich, hat die für ein sicheres Finanzwesen verantwortliche Aufsicht grundsätzlich fest am Steuer geschlafen.

Aber diese verschiedenen Gründe - lasche Regulierung, billiges Geld, die ungeschriebene chinesisch-amerikanische Allianz, die Förderung von Hauseigentum - haben eines gemeinsam. Auch wenn einige traditionell mit den Demokraten in Zusammenhang gebracht werden und andere mit den Republikanern, sie haben alle dem Finanzsektor genutzt. Politikwechsel die die Krise hätten abwenden können, aber gleichzeitig die Gewinne des Finanzsektors beschränkt hätten, wurden ignoriert oder beiseite gewischt, so wie der mittlerweile berühmte Versuch von Brooksley Born bei der Commodity Future Trading Commission 1998 die credit default swaps zu regulieren.

Die Finanzindustrie genoss nicht immer eine so bevorzugte Behandlung. Aber ungefähr über die letzten 25 Jahre gab es einen Boom und der Finanzsektor wurde immer mächtiger. Der Boom begann mit der Reagan-Ära und er wurde nur stärker durch die Deregulierung der Clinton- und Bush-Administrationen. Einige andere Faktoren halfen ebenfalls beim Aufstieg der Finanzindustrie. Paul Volckers Geldpolitik in den 1980´ern und die damit verbundene erhöhte Volatilität (Schwankungen) der Zinssätze machten den Anleihehandel wesentlich lukrativer. Die Erfindung der Kreditverbriefung (securitazation), Zinswaps und Kreditausfallversicherungen (credit default swaps) haben das gewinnbringende Handelsvolumen beträchtlich anwachsen lassen. Eine alternde und zunehmend wohlhabendere Bevölkerung legte immer mehr Geld in Wertpapieren an, unterstützt durch die Einführung von Pensionsfonds für die private Alterssicherung. Zusammengenommen steigerten diese Entwicklungen die Gewinnmöglichkeiten des Finanzdienstleistungssektors enorm.

Es überrascht nicht, dass die Wall Street sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ. Von 1973 bis 1985 betrug der Anteil des Finanzsektors an den Unternehmensgewinnen nie mehr als 16 Prozent. In 1986 erreichte der Anteil 19 Prozent. In den 1990´ern schwankte er zwischen 21 und 30 Prozent und damit so hoch wie nie in der Nachkriegszeit. Dieses Jahrzehnt erreichte der Anteil dann 41 Prozent. Die Gehälter stiegen genauso dramatisch. Von 1948 bis 1982 schwankte die durchschnittliche Vergütung zwischen 99 und 108 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der privaten US-Unternehmen. Von 1983 an schoss dieser Anteil nach oben auf 181 Prozent in 2007.

Der große Reichtum den der Finanzsektor schuf und anhäufte gab Bankern enormes, seit der Ära von J.P. Morgan (die Person) nicht mehr gekanntes, politisches Gewicht. Zur damaligen Zeit konnte die Bankenpanik von 1907 nur durch die Koordination zwischen den Privatbankern gestoppt werden: Keine Regierungsstelle war in der Lage eine wirksame Lösung zu liefern. Aber dieses erste Zeitalter von Bankoligarchen endete, als einschneidende Regularien erlassen wurden als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise (Great Depression 1929-1933). Der Wiederaufstieg der amerikanischen Finanzoligarchie ist sehr aktuell.

(Teil 1 von 4) Fortsetzung folgt über die Ostertage.

Der leise Staatsstreich (Teil II)

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Dienstag, 7. April 2009

Roubini Watchblog 14

Video mit Nouriel Roubini aka Dr. Doom und Jim O´Neill bei der FT.

Nach Roubini haben wir den Höhepunkt des wirtschaftlichen Rückgangs in Q4 2008 und Q1 2009 gesehen, aber die wirtschaftliche Erholung wird äußert schwach ausfallen mit max 1 Prozent Wachstum. Erst für 2011 ist seiner Meinung nach mit einer wirklichen Erholung zu rechnen.

Montag, 6. April 2009

Wall Street ist ein "Ponzi Scheme"

Ein Ponzi-Scheme ist die englische Bezeichnung für ein Schneeballsystem, benannt nach dem Betrüger Charles Ponzi, der sich durch den seinerzeit (1920´er) größten Betrug einen Namen machte. Aber das, was sich jetzt an den Finanzmärkten abspielt, stellt alles Dagewesene in den Schatten. Da sehen selbst die Bankrotteure hierzulande wie kleine Hütchenspieler aus.

Einen äußerst interessanten Einblick in das Geschäft der "securitisation", der Verbriefung von Kreditportfolios, gibt dieses Interview von Bill Moyers mit William K. Black, einem ehemaligen US-Bankenaufseher, der bereits während der amerikanischen Sparkassenkrise Ende der 80´er Jahre tätig war und die Weltbank bei der Korruptionsbekämpfung beriet. Er ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften an der Universität Missouri.

Für ihn ist flächendeckender Betrug an der Wall Street die Hauptursache für die Krise.

Auszüge aus dem Transskript:

BILL MOYERS: Is it possible that these complex instruments were deliberately created so swindlers could exploit them?

Ist es möglich, dass diese komplexen (Finanz-) Instrumente absichtlich geschaffen wurden, damit Betrüger sie ausnutzen konnten?

WILLIAM K. BLACK: Oh, absolutely. This stuff, the exotic stuff that you're talking about was created out of things like liars' loans, that were known to be extraordinarily bad. And now it was getting triple-A ratings. Now a triple-A rating is supposed to mean there is zero credit risk. So you take something that not only has significant, it has crushing risk. That's why it's toxic. And you create this fiction that it has zero risk. That itself, of course, is a fraudulent exercise. And again, there was nobody looking, during the Bush years. So finally, only a year ago, we started to have a Congressional investigation of some of these rating agencies, and it's scandalous what came out. What we know now is that the rating agencies never looked at a single loan file. When they finally did look, after the markets had completely collapsed, they found, and I'm quoting Fitch, the smallest of the rating agencies, "the results were disconcerting, in that there was the appearance of fraud in nearly every file we examined."

Oh, absolut. Dieses exotische Zeug, von dem hier die Rede ist, wurde aus sog. Liar Loans (Lügner Kredite) gemacht, die als außerordentlich schlecht galten. Und dann haben sie tripple-A-ratings darauf vergeben. Nun bei einem tripple-A-rating nimmt man an, dass es kein Kreditausfallrisiko gibt. Also nimmt man etwas, das nicht nur ein erhebliches, sondern erdrückendes Risiko aufweist. Dies allein ist, natürlich, bereits ein betrügerisches Vorgehen. Deswegen sind diese (Wertpapiere) giftig. Und gleichzeitig erzeugt man die Vorstellung, dass diese (Wertpapiere) kein Kreditrisiko aufweisen. Und nochmals: Da hat niemand ein Auge drauf gehabt während der Bush-Jahre. Schließlich gab es vor nur einem Jahr eine Untersuchung dieser Ratingagenturen durch den Kongress, die ein skandalöses Ergebnis zu Tage förderte. Nach jetzigem Kenntnisstand haben die Ratingagenturen keine einzige Kreditunterlage geprüft. Als sie schließlich doch die Unterlagen prüften, nachdem die Märkte komplett kollabiert waren, haben sie herausgefunden, und ich zitiere jetzt Fitch, die kleinste von den Ratingagenturen, dass "die Ergebnisse bestürzend waren, da fast in jeder Kreditakte ein Fall von Betrug entdeckt wurde.


BILL MOYERS: So if your assumption is correct, your evidence is sound, the bank, the lending company, created a fraud. And the ratings agency that is supposed to test the value of these assets knowingly entered into the fraud. Both parties are committing fraud by intention.

Wenn also ihre Annahme wahr und ihre Beweisführung richtig ist, dann hat die Bank, der Kreditgeber, den Betrug begangen. Und die Ratingagenturen, von denen man erwartet hätte, dass sie den Wert dieser Kreditengagements testen würden, haben sich bewußt an diesem Betrug beteiligt. Beide Parteien haben sich absichtlich an diesem Betrug beteiligt.

WILLIAM K. BLACK: Right, and the investment banker that — we call it pooling — puts together these bad mortgages, these liars' loans, and creates the toxic waste of these derivatives. All of them do that. And then they sell it to the world and the world just thinks because it has a triple-A rating it must actually be safe. Well, instead, there are 60 and 80 percent losses on these things, because of course they, in reality, are toxic waste.

Richtig. Und die Investmentbanker haben diese faulen Hypothekenkredite, diese Liar Loans, gebündelt - man nennt es pooling - und diesen Giftmüll an Derivaten produziert. Alle haben das gemacht. Und dann haben sie den (Giftmüll) an die Welt verkauft und die Welt denkt, nur weil der ein AAA-Rating hat, muss er eigentlich sicher sein. In Wirklichkeit sind diese Dinger mit 60 bis 80 Prozent Abschreibungen belastet, weil dieses Zeug in Wirklich Giftmüll ist.

BILL MOYERS: You're describing what Bernie Madoff did to a limited number of people. But you're saying it's systemic, a systemic Ponzi scheme.

Sie beschreiben gerade, was Bernie Madoff einer bestimmten Anzahl von Anlegern angetan hat. Aber Sie sagen, dass dies systemisch ist, das dies ein systemisches Ponzi scheme (Schneeballsyystem) ist.

WILLIAM K. BLACK: Oh, Bernie was a piker. He doesn't even get into the front ranks of a Ponzi scheme...

Oh, Bernie war eine Memme. Bernie kam nie in die Bestenliste von Schneeballsystemen.

BILL MOYERS: But you're saying our system became a Ponzi scheme.

Aber Sie sagen, unser System wurde zu einem Schneeballsystem...

WILLIAM K. BLACK: Our system...

Unser System

BILL MOYERS: Our financial system...

Unser Finanzsystem...

WILLIAM K. BLACK: Became a Ponzi scheme. Everybody was buying a pig in the poke. But they were buying a pig in the poke with a pretty pink ribbon, and the pink ribbon said, "Triple-A."

... wurde ein Schneeballsystem. Jeder kaufte die Katze im Sack. Aber sie kauften die Katze im Sack mit einem sehr schönen Geschenkband, und das sagte: AAA.


Das gesamte Video des Interviews von Bill Moyers (PBS) mit William K. Black ist absolut sehenswert (via immobilienblasen).

Auch WDR 5 hat gestern einen guten Beitrag über die Finanzkrise gebracht: Das Kartenhaus. Leider gibt es nur einen kurzen Audio-file. Aber das Transskript der Sendung ist veröffentlicht.

Damit scheinen sich meine Befürchtungen zu bestätigen, die ich bereits letztes Jahr geäußert habe.


10. August 2008: Kommt ein perfekter Sturm?

...

Und dann möchte ich noch unbedingt auf einen sehr lesenswerten Artikel hinweisen, den London Banker abseits des üblichen Mainstreams über Deflationsgefahren geschrieben hat. So sagt er, dass Deflation viele Annahmen in Frage stellt, die im Zusammenhang mit Inflation gültig sind: Eigentum ist ein sicheres Investment. Mit Aktien ist man langfristig auf der sicheren Seite. Staaten gehen nicht pleite. Und jetzt kommts:
"When people are forced to reconsider these cherished touchstones of their financial beliefs, they will also reconsider the cherished notions of their political beliefs. It was under similar conditions that nations in the past embraced racial hatred, ethnic divisions, discrimination against gender/sexual preference, economic imperialism and war as a means of directing public discontent away from threatened elites."
Und genau dies ist der Punkt: Die wirtschaftliche und politische Elite hat versagt. Ich kann mir nur sehr, sehr schwer vorstellen, dass dies auf Leichtfertigkeit zurückzuführen ist, oder dass es sich um eine unbeabsichtigte Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik handelt. Es gab verantwortungsvolle Politiker, die entsprechende Gesetze erlassen wollten, um moral hazard zu verhindern. Doch sie wurden ausgebremst. Im Gegenzug wurden die Sicherungen, die man als Konsequenz aus den Vorgängen von 1929 eingebaut hatte, wieder aufgehoben (Stichwort: Glass-Steagall-Act). Ganz zu schweigen von der ablehnenden Haltung gegenüber der Einführung neuer notwendiger Regularien für Hedgefonds. Dieses Desaster war abzusehen. Die Zeichen stehen auf Sturm.

11. September 2008: Der Ein-Finger-Gruß

wird in Fachkreisen auch der "Effe" genannt.

Jetzt taucht der Effe als "one-finger salute" auch in den USA auf. Natürlich im Zusammenhang mit dem Debakel um Fannie Mae und Freddie Mac (Phony und Fraudy).

Der "Erfinder" des one-finger salute ist Michael Oxley. Michael Oxley ist der Mitnamensgeber des Sarbanes-Oxley Act of 2002. Das ist das Gesetz, das nach dem Enron und Worldcom Bilanzskandal erlassen wurde, damit nun endlich Schluss sei mit Manipulationen in der amerikanischen Wirtschaft. Nun ja. Weiter unter schreibe ich dazu noch etwas.

Oxley beschwert sich jetzt jedoch bitter-böse darüber, dass Bush und Greenspan den Federal Housing Finance Reform Act verhindert haben. Das war ein Gesetz aus dem Jahr 2005, das der Regulierung von Fannie und Freddie dienen sollte. Im Kongress gab es eine parteiübergreifende Mehrheit. Man wollte so die Gefahren für Fannie und Freddie und die US-Wirtschaft abwenden, die man bereits im Jahre 2005 erkannt hatte. Aber Bush stoppte das Gesetz:
“What did we get from the White House? We got a one-finger salute.” FT
Ich weiss nicht, was in dem Gesetz wirklich drinsteht, und ob sich Herr Oxley hier zu recht exkulpieren möchte. Aber es wird doch deutlich, dass die US-Regierung hier nicht vor einer völlig unvorhersehbaren Entwicklung stand. Und dann muss man sich an dieser Stelle wieder das Mantra in Erinnerung rufen, das uns die Vertreter dieser Regierung, allen voran Herr Paulson als Finanzminister, die letzten Monate unermüdlich vorgebetet hat:

Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Die amerikanische Wirtschaft ist in einer exzellenten Verfassung. Die Subprime-Krise ist ein eingedämmt. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Die amerikanische Wirtschaft ist in einer exzellenten Verfassung. Die Subprime-Krise ist ein eingedämmt... etc etc etc

Wer den Bockmist schon wieder verdrängt haben sollte: Ich habe hier im Blog mitstenographiert. "We have no plans to put money in either thoose institutions" Video Paulson (unten auf der Seite). Zu dem Zeitpunkt (Eröffnung der Spiele in Peking) war jedem klar, dass Fannie und Freddie pleite sind.

Die Namen Oxley und Enron bringen mich aber noch mal auf einen Gedanken, den ich bereits vor Wochen in einer E-Mail geäußert habe: Die Rolle der Rating-Agenturen in diesem Finanzskandal. So müsste man diesen Vorgang nämlich eigentlich bezeichnen. Nicht verharmlosend als Finanzkrise, sondern als Skandal. Nicht umsonst spricht man bei Alt-A Krediten von liar-loans. Nur dass bei der Bank niemand getäuscht wurde, da sich dort niemand für die Einkommenssituation der Schuldner interessierte. Der Kredit wurde ja sowieso weiter gereicht an Anleger (zum Beispiel die IKB), also warum sollte man sich die Arbeit machen und sich das Geschäft kaputt machen?

Damals bei der Enron-Pleite hat die Öffentlichkeit/der Markt auf die Testate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson vertraut. Zu Unrecht. Heute werden sich einige fragen: Who the fuck is Arthur Anderson? Genau, die gibt es nämlich seit damals nicht mehr. Der Laden wurde von einer Klagewelle geschädigter Anleger eingeholt, die Arthur Anderson letztlich zur Aufgabe zwang. In der Folge wurde der SOA, der o.g. Sarbanes-Oxley-Act verabschiedet.

Nach dem SOA sollten die Bilanzen nicht mehr von denjenigen geprüft werden, die sie erstellt haben, denn dies führt fast zwangsläufig zu Interessenkonflikten bei der Prüfung der Bilanzen. Wenn ein Unternehmen eine Steuerberatung- und Prüfungsgesellschaft dafür gut, sogar sehr gut bezahlt, dass diese eine Bilanz erstellt, dann erwartet dieses Unternehmen, dass der erstellte Abschluss auch von der gleichen Gesellschaft testiert wird. Logisch, schließlich hat sie die Bilanz ja erstellt. Nur wollen die Berater die guten Aufträge in der Regel nicht verlieren, so dass bei Enron zum Beispiel recht "wohlwollend" bilanziert und dieses dann von Arthur Anderson testiert wurde. Bis der Schwindel aufflog. Dies alles wollte man also zukünftig mit dem SOA verhindern.

Dass bei den Rating-Agenturen der gleiche Interessenkonflikt besteht, wie bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor dem SOA, ist damals aber scheinbar keinem aufgefallen (wirklich nicht?) . Denn auch die Rating-Agenturen werden von ihren Auftraggebern bezahlt. Das sind die Investmentbanken, die ihre Wertpapiere (CDO´s, ABS, RMBS, CMBS und der ganze Buchstabensalat) später für gutes Geld an den Anleger bringen wollen. Natürlich erwartet man als Auftraggeber, wenn man schon zahlt, dass man auch ein ordentliches Rating bekommt. Am besten AAA, auch wenn nur Subprime-Kredite verbrieft werden. Mit welchem scheinheiligen mathematischen Modell dieses Ergebnis gerechtfertigt wird, ist den Banken egal. Sie haben dieses System ja selbst erfunden, also wissen sie, wie man es spielt. Dass bei der Vergabe der Ratings nicht immer so genau hingeguckt wurde, wurde schon mehrfach kolportiert.

Daher gab und gibt es Kritik an den Rating-Agenturen. Mish ist auch unter den Kritikern dieses Systems. Diese Kritik hat viel für sich. Aber vielleicht erledigt sich das Thema ähnlich wie bei Arthur Anderson: Indem eine Klagewelle Geschädigter die Big Three von der Bildfläche spült. Wenn man unter den demnächst arbeitslosen Ex-Mitarbeitern der Rating-Agenturen den einen oder anderen besonders frustrierten findet, könnte man mit deren Insiderkenntnissen und Zeugenaussagen eine Klage stricken. Mal sehen was kommt.

Dann heißt es in ein paar Jahren eventuell: Who the fuck is S&P, Moody´s and Fitch? Ich würde sie nicht vermissen...