Montag, 6. April 2009

Wall Street ist ein "Ponzi Scheme"

Ein Ponzi-Scheme ist die englische Bezeichnung für ein Schneeballsystem, benannt nach dem Betrüger Charles Ponzi, der sich durch den seinerzeit (1920´er) größten Betrug einen Namen machte. Aber das, was sich jetzt an den Finanzmärkten abspielt, stellt alles Dagewesene in den Schatten. Da sehen selbst die Bankrotteure hierzulande wie kleine Hütchenspieler aus.

Einen äußerst interessanten Einblick in das Geschäft der "securitisation", der Verbriefung von Kreditportfolios, gibt dieses Interview von Bill Moyers mit William K. Black, einem ehemaligen US-Bankenaufseher, der bereits während der amerikanischen Sparkassenkrise Ende der 80´er Jahre tätig war und die Weltbank bei der Korruptionsbekämpfung beriet. Er ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften an der Universität Missouri.

Für ihn ist flächendeckender Betrug an der Wall Street die Hauptursache für die Krise.

Auszüge aus dem Transskript:

BILL MOYERS: Is it possible that these complex instruments were deliberately created so swindlers could exploit them?

Ist es möglich, dass diese komplexen (Finanz-) Instrumente absichtlich geschaffen wurden, damit Betrüger sie ausnutzen konnten?

WILLIAM K. BLACK: Oh, absolutely. This stuff, the exotic stuff that you're talking about was created out of things like liars' loans, that were known to be extraordinarily bad. And now it was getting triple-A ratings. Now a triple-A rating is supposed to mean there is zero credit risk. So you take something that not only has significant, it has crushing risk. That's why it's toxic. And you create this fiction that it has zero risk. That itself, of course, is a fraudulent exercise. And again, there was nobody looking, during the Bush years. So finally, only a year ago, we started to have a Congressional investigation of some of these rating agencies, and it's scandalous what came out. What we know now is that the rating agencies never looked at a single loan file. When they finally did look, after the markets had completely collapsed, they found, and I'm quoting Fitch, the smallest of the rating agencies, "the results were disconcerting, in that there was the appearance of fraud in nearly every file we examined."

Oh, absolut. Dieses exotische Zeug, von dem hier die Rede ist, wurde aus sog. Liar Loans (Lügner Kredite) gemacht, die als außerordentlich schlecht galten. Und dann haben sie tripple-A-ratings darauf vergeben. Nun bei einem tripple-A-rating nimmt man an, dass es kein Kreditausfallrisiko gibt. Also nimmt man etwas, das nicht nur ein erhebliches, sondern erdrückendes Risiko aufweist. Dies allein ist, natürlich, bereits ein betrügerisches Vorgehen. Deswegen sind diese (Wertpapiere) giftig. Und gleichzeitig erzeugt man die Vorstellung, dass diese (Wertpapiere) kein Kreditrisiko aufweisen. Und nochmals: Da hat niemand ein Auge drauf gehabt während der Bush-Jahre. Schließlich gab es vor nur einem Jahr eine Untersuchung dieser Ratingagenturen durch den Kongress, die ein skandalöses Ergebnis zu Tage förderte. Nach jetzigem Kenntnisstand haben die Ratingagenturen keine einzige Kreditunterlage geprüft. Als sie schließlich doch die Unterlagen prüften, nachdem die Märkte komplett kollabiert waren, haben sie herausgefunden, und ich zitiere jetzt Fitch, die kleinste von den Ratingagenturen, dass "die Ergebnisse bestürzend waren, da fast in jeder Kreditakte ein Fall von Betrug entdeckt wurde.


BILL MOYERS: So if your assumption is correct, your evidence is sound, the bank, the lending company, created a fraud. And the ratings agency that is supposed to test the value of these assets knowingly entered into the fraud. Both parties are committing fraud by intention.

Wenn also ihre Annahme wahr und ihre Beweisführung richtig ist, dann hat die Bank, der Kreditgeber, den Betrug begangen. Und die Ratingagenturen, von denen man erwartet hätte, dass sie den Wert dieser Kreditengagements testen würden, haben sich bewußt an diesem Betrug beteiligt. Beide Parteien haben sich absichtlich an diesem Betrug beteiligt.

WILLIAM K. BLACK: Right, and the investment banker that — we call it pooling — puts together these bad mortgages, these liars' loans, and creates the toxic waste of these derivatives. All of them do that. And then they sell it to the world and the world just thinks because it has a triple-A rating it must actually be safe. Well, instead, there are 60 and 80 percent losses on these things, because of course they, in reality, are toxic waste.

Richtig. Und die Investmentbanker haben diese faulen Hypothekenkredite, diese Liar Loans, gebündelt - man nennt es pooling - und diesen Giftmüll an Derivaten produziert. Alle haben das gemacht. Und dann haben sie den (Giftmüll) an die Welt verkauft und die Welt denkt, nur weil der ein AAA-Rating hat, muss er eigentlich sicher sein. In Wirklichkeit sind diese Dinger mit 60 bis 80 Prozent Abschreibungen belastet, weil dieses Zeug in Wirklich Giftmüll ist.

BILL MOYERS: You're describing what Bernie Madoff did to a limited number of people. But you're saying it's systemic, a systemic Ponzi scheme.

Sie beschreiben gerade, was Bernie Madoff einer bestimmten Anzahl von Anlegern angetan hat. Aber Sie sagen, dass dies systemisch ist, das dies ein systemisches Ponzi scheme (Schneeballsyystem) ist.

WILLIAM K. BLACK: Oh, Bernie was a piker. He doesn't even get into the front ranks of a Ponzi scheme...

Oh, Bernie war eine Memme. Bernie kam nie in die Bestenliste von Schneeballsystemen.

BILL MOYERS: But you're saying our system became a Ponzi scheme.

Aber Sie sagen, unser System wurde zu einem Schneeballsystem...

WILLIAM K. BLACK: Our system...

Unser System

BILL MOYERS: Our financial system...

Unser Finanzsystem...

WILLIAM K. BLACK: Became a Ponzi scheme. Everybody was buying a pig in the poke. But they were buying a pig in the poke with a pretty pink ribbon, and the pink ribbon said, "Triple-A."

... wurde ein Schneeballsystem. Jeder kaufte die Katze im Sack. Aber sie kauften die Katze im Sack mit einem sehr schönen Geschenkband, und das sagte: AAA.


Das gesamte Video des Interviews von Bill Moyers (PBS) mit William K. Black ist absolut sehenswert (via immobilienblasen).

Auch WDR 5 hat gestern einen guten Beitrag über die Finanzkrise gebracht: Das Kartenhaus. Leider gibt es nur einen kurzen Audio-file. Aber das Transskript der Sendung ist veröffentlicht.

Damit scheinen sich meine Befürchtungen zu bestätigen, die ich bereits letztes Jahr geäußert habe.


10. August 2008: Kommt ein perfekter Sturm?

...

Und dann möchte ich noch unbedingt auf einen sehr lesenswerten Artikel hinweisen, den London Banker abseits des üblichen Mainstreams über Deflationsgefahren geschrieben hat. So sagt er, dass Deflation viele Annahmen in Frage stellt, die im Zusammenhang mit Inflation gültig sind: Eigentum ist ein sicheres Investment. Mit Aktien ist man langfristig auf der sicheren Seite. Staaten gehen nicht pleite. Und jetzt kommts:
"When people are forced to reconsider these cherished touchstones of their financial beliefs, they will also reconsider the cherished notions of their political beliefs. It was under similar conditions that nations in the past embraced racial hatred, ethnic divisions, discrimination against gender/sexual preference, economic imperialism and war as a means of directing public discontent away from threatened elites."
Und genau dies ist der Punkt: Die wirtschaftliche und politische Elite hat versagt. Ich kann mir nur sehr, sehr schwer vorstellen, dass dies auf Leichtfertigkeit zurückzuführen ist, oder dass es sich um eine unbeabsichtigte Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik handelt. Es gab verantwortungsvolle Politiker, die entsprechende Gesetze erlassen wollten, um moral hazard zu verhindern. Doch sie wurden ausgebremst. Im Gegenzug wurden die Sicherungen, die man als Konsequenz aus den Vorgängen von 1929 eingebaut hatte, wieder aufgehoben (Stichwort: Glass-Steagall-Act). Ganz zu schweigen von der ablehnenden Haltung gegenüber der Einführung neuer notwendiger Regularien für Hedgefonds. Dieses Desaster war abzusehen. Die Zeichen stehen auf Sturm.

11. September 2008: Der Ein-Finger-Gruß

wird in Fachkreisen auch der "Effe" genannt.

Jetzt taucht der Effe als "one-finger salute" auch in den USA auf. Natürlich im Zusammenhang mit dem Debakel um Fannie Mae und Freddie Mac (Phony und Fraudy).

Der "Erfinder" des one-finger salute ist Michael Oxley. Michael Oxley ist der Mitnamensgeber des Sarbanes-Oxley Act of 2002. Das ist das Gesetz, das nach dem Enron und Worldcom Bilanzskandal erlassen wurde, damit nun endlich Schluss sei mit Manipulationen in der amerikanischen Wirtschaft. Nun ja. Weiter unter schreibe ich dazu noch etwas.

Oxley beschwert sich jetzt jedoch bitter-böse darüber, dass Bush und Greenspan den Federal Housing Finance Reform Act verhindert haben. Das war ein Gesetz aus dem Jahr 2005, das der Regulierung von Fannie und Freddie dienen sollte. Im Kongress gab es eine parteiübergreifende Mehrheit. Man wollte so die Gefahren für Fannie und Freddie und die US-Wirtschaft abwenden, die man bereits im Jahre 2005 erkannt hatte. Aber Bush stoppte das Gesetz:
“What did we get from the White House? We got a one-finger salute.” FT
Ich weiss nicht, was in dem Gesetz wirklich drinsteht, und ob sich Herr Oxley hier zu recht exkulpieren möchte. Aber es wird doch deutlich, dass die US-Regierung hier nicht vor einer völlig unvorhersehbaren Entwicklung stand. Und dann muss man sich an dieser Stelle wieder das Mantra in Erinnerung rufen, das uns die Vertreter dieser Regierung, allen voran Herr Paulson als Finanzminister, die letzten Monate unermüdlich vorgebetet hat:

Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Die amerikanische Wirtschaft ist in einer exzellenten Verfassung. Die Subprime-Krise ist ein eingedämmt. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Das Finanzsystem ist gesund und sicher. Die amerikanische Wirtschaft ist in einer exzellenten Verfassung. Die Subprime-Krise ist ein eingedämmt... etc etc etc

Wer den Bockmist schon wieder verdrängt haben sollte: Ich habe hier im Blog mitstenographiert. "We have no plans to put money in either thoose institutions" Video Paulson (unten auf der Seite). Zu dem Zeitpunkt (Eröffnung der Spiele in Peking) war jedem klar, dass Fannie und Freddie pleite sind.

Die Namen Oxley und Enron bringen mich aber noch mal auf einen Gedanken, den ich bereits vor Wochen in einer E-Mail geäußert habe: Die Rolle der Rating-Agenturen in diesem Finanzskandal. So müsste man diesen Vorgang nämlich eigentlich bezeichnen. Nicht verharmlosend als Finanzkrise, sondern als Skandal. Nicht umsonst spricht man bei Alt-A Krediten von liar-loans. Nur dass bei der Bank niemand getäuscht wurde, da sich dort niemand für die Einkommenssituation der Schuldner interessierte. Der Kredit wurde ja sowieso weiter gereicht an Anleger (zum Beispiel die IKB), also warum sollte man sich die Arbeit machen und sich das Geschäft kaputt machen?

Damals bei der Enron-Pleite hat die Öffentlichkeit/der Markt auf die Testate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson vertraut. Zu Unrecht. Heute werden sich einige fragen: Who the fuck is Arthur Anderson? Genau, die gibt es nämlich seit damals nicht mehr. Der Laden wurde von einer Klagewelle geschädigter Anleger eingeholt, die Arthur Anderson letztlich zur Aufgabe zwang. In der Folge wurde der SOA, der o.g. Sarbanes-Oxley-Act verabschiedet.

Nach dem SOA sollten die Bilanzen nicht mehr von denjenigen geprüft werden, die sie erstellt haben, denn dies führt fast zwangsläufig zu Interessenkonflikten bei der Prüfung der Bilanzen. Wenn ein Unternehmen eine Steuerberatung- und Prüfungsgesellschaft dafür gut, sogar sehr gut bezahlt, dass diese eine Bilanz erstellt, dann erwartet dieses Unternehmen, dass der erstellte Abschluss auch von der gleichen Gesellschaft testiert wird. Logisch, schließlich hat sie die Bilanz ja erstellt. Nur wollen die Berater die guten Aufträge in der Regel nicht verlieren, so dass bei Enron zum Beispiel recht "wohlwollend" bilanziert und dieses dann von Arthur Anderson testiert wurde. Bis der Schwindel aufflog. Dies alles wollte man also zukünftig mit dem SOA verhindern.

Dass bei den Rating-Agenturen der gleiche Interessenkonflikt besteht, wie bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor dem SOA, ist damals aber scheinbar keinem aufgefallen (wirklich nicht?) . Denn auch die Rating-Agenturen werden von ihren Auftraggebern bezahlt. Das sind die Investmentbanken, die ihre Wertpapiere (CDO´s, ABS, RMBS, CMBS und der ganze Buchstabensalat) später für gutes Geld an den Anleger bringen wollen. Natürlich erwartet man als Auftraggeber, wenn man schon zahlt, dass man auch ein ordentliches Rating bekommt. Am besten AAA, auch wenn nur Subprime-Kredite verbrieft werden. Mit welchem scheinheiligen mathematischen Modell dieses Ergebnis gerechtfertigt wird, ist den Banken egal. Sie haben dieses System ja selbst erfunden, also wissen sie, wie man es spielt. Dass bei der Vergabe der Ratings nicht immer so genau hingeguckt wurde, wurde schon mehrfach kolportiert.

Daher gab und gibt es Kritik an den Rating-Agenturen. Mish ist auch unter den Kritikern dieses Systems. Diese Kritik hat viel für sich. Aber vielleicht erledigt sich das Thema ähnlich wie bei Arthur Anderson: Indem eine Klagewelle Geschädigter die Big Three von der Bildfläche spült. Wenn man unter den demnächst arbeitslosen Ex-Mitarbeitern der Rating-Agenturen den einen oder anderen besonders frustrierten findet, könnte man mit deren Insiderkenntnissen und Zeugenaussagen eine Klage stricken. Mal sehen was kommt.

Dann heißt es in ein paar Jahren eventuell: Who the fuck is S&P, Moody´s and Fitch? Ich würde sie nicht vermissen...

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