Mittwoch, 29. April 2009

Wut, die - lateinisch Furor

Lektüre des Tages:
Man sollte daher die merkwürdige Ruhe im Land nicht falsch interpretieren. Es ist nicht die Ruhe einer mit sich zufriedenen Gesellschaft. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. (Wolfgang Münchau, FTD vom 29.04.2009)
Diesen Artikel bitte vollständig lesen.

Was die Stimmung in diesem Land, die Leistung der Politiker und der Journalisten und seine Prognose angeht, stimme ich mit ihm überein. Was konkret die Banken angeht, neige ich eher seinem "Kollegen" Willem Buiter zu: Die Anleger müssen die Verluste fressen, die sie verursacht haben. Nicht der Steuerzahler über Rettungsprogramme und auch nicht der Kleinsparer über Inflation. Aber ich habe das ungute Gefühl, genau so wird es kommen. Und das wird in der Tat Wut erzeugen, wie Münchau voraussagt. Das wäre allerdings insofern schlecht, da Wut blind macht und ich befürchte, dass dann eben nicht mehr die Probleme nüchtern analysiert und Lösungen im Diskurs entwickelt werden können. Wenn wir an dem Punkt sind, dass der deutsche Michel aus seinem von Bild, RTL, DSDS und Anne Will erzeugtem Wachkoma aufwacht, dann wird ein starker Mann in der Politik gesucht, vielleicht wieder ein echter Führer, weil man denkt, dass sich so Probleme lösen lassen.

Wir müssen aber jetzt in Ruhe die Lösungen diskutieren und entwickeln. Aber das geschieht nicht. Und das liegt an dieser elenden Journaille und ihrem geistigen Inzest. Bleibt nur zu hoffen, dass der Darwinismus auch in diesem Bereich wirkt und diese ganzen Versager dann demnächst auf der Straße liegen. Das wäre zumindest ein positiver Effekt der Krise und absolut angemessen für einen verlogenen Berufsstand, der sich dem Tittytainment verschrieben hat. Aber wahrscheinlich ist es nur ein Wunschtraum meinerseits...

Das, was Münchau uns in seinem Artikel vor Augen führt, hat bereits im August letzten Jahres London Banker kommen sehen. Ich darf nochmal (Stammleser können jetzt abschalten) auf meinen Artikel aus dem August 2008 hinweisen:

Und dann möchte ich noch unbedingt auf einen sehr lesenswerten Artikel hinweisen, den London Banker abseits des üblichen Mainstreams über Deflationsgefahren geschrieben hat. So sagt er, dass Deflation viele Annahmen in Frage stellt, die im Zusammenhang mit Inflation gültig sind: Eigentum ist ein sicheres Investment. Mit Aktien ist man langfristig auf der sicheren Seite. Staaten gehen nicht pleite. Und jetzt kommts:
"When people are forced to reconsider these cherished touchstones of their financial beliefs, they will also reconsider the cherished notions of their political beliefs. It was under similar conditions that nations in the past embraced racial hatred, ethnic divisions, discrimination against gender/sexual preference, economic imperialism and war as a means of directing public discontent away from threatened elites."
Und genau dies ist der Punkt: Die wirtschaftliche und politische Elite hat versagt. Ich kann mir nur sehr, sehr schwer vorstellen, dass dies auf Leichtfertigkeit zurückzuführen ist, oder dass es sich um eine unbeabsichtigte Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik handelt. Es gab verantwortungsvolle Politiker, die entsprechende Gesetze erlassen wollten, um moral hazard zu verhindern. Doch sie wurden ausgebremst. Im Gegenzug wurden die Sicherungen, die man als Konsequenz aus den Vorgängen von 1929 eingebaut hatte, wieder aufgehoben (Stichwort: Glass-Steagall-Act). Ganz zu schweigen von der ablehnenden Haltung gegenüber der Einführung neuer notwendiger Regularien für Hedgefonds. Dieses Desaster war abzusehen. Die Zeichen stehen auf Sturm.
Und sie stehen nicht nur in den USA auf Sturm.

Zum geistigen Zustand unserer Landes gilt immer noch meine Einschätzung vom Dezember: Eine Giraffe im Treibsand.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Stell dir vor, die Wirtschaft bricht zusammen und keiner geht hin, weil gerade DSDS in der Endphase ist und RTL rund um die Uhr überträgt. Es ist genau wie du es beschreist. Da kann ein Ackermann seine neuesten Phantasiezahlen auf den den Tisch legen und schon ist die Krise so gut wie vorüber, denn der deutschen Bank geht es bessser und Joe will Weltmeister werden. Kaum ein Wort darüber, was diese Zahlen wert sind. Nein die Deutsche Bank braucht keine Staatshilfe -ihr reicht das Geld, das die Steuerzahler der Welt in ihre maroden Geschäftspartner wie AIG investieren. (Du hattest mal auf Backdoorbailouts hingewiesen)
Hier sieht man, was der Spin der letzten 15 Jahre, wonach alles was gut für den Finanzmarkt ist, auch gut für die Wirtschaft sei, in zahllosen Hirnen für Verwüstungen hinterlassen haben. Es ist deprimierend, wie der Dummsinn um sich greift und die Aussicht auf Merkel und Westerwelle die nächsten vier Jahre lassen an Auswandern denken. Das Volk begreift nicht was vor sich geht, weil in dem ganzen Wust von sinnlosen Konzepten mal von Bürgschaften mal von Übernahmen oder Bad Banks und immer wieder von "systemisch" relevant die Rede ist. Sieht aus als könnten unsrer Inkompenten Politiker, darauf hoffen, dass der ganze Nebel der Tag für Tag erzeugt wird, den Erkenntnisfortschritt soweit verschleppen, das kein Volkszorn zustandekommt. Die Politiker sind zu unfähig etwas zu ändern und die, die profitieren und genau aus diesem Grund die Blindgänger eingekauft haben, wollen nichts ändern -wozu auch. Die Politiker sorgen dafür, dass die Allgemeit die Verluste der sogenannten Finanzelite bezahlt -eine Idealkonstellation von zentralisierten Gewinnen und sozialisierten Kosten.
Ich gebe die recht in der Vermutung, dass dies alles kein Unfall ist, sondern Vorsatz. Da haben ein paar Leute beschlossen, noch mal richtig zu kassieren, bevor der Laden hochgeht. Dummerweise kann sich Michel nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die schicke Anzüge tragen, gute Tischmanieren haben und trotzdem gewöhnliche Kriminelle sind. Ich kenne mittlerweile einige, die am eigenen Leib erfahren mussten, wie die Unternehmen bei denen sie arbeiteten von sogemannten "Investoren" aufgekauft, geplündert und dann wegen Überschuldung den Bach runter gingen. Die Fliege freut sich, dass sie von der Spinne zum Essen eingeladen wurde.
Über Konzepte jenseits dieses selbzerstörerischen Raubtierkapitalismus redet kaum jemand -auch da gebe ich dir recht. Es scheint so zu laufen wie so oft in der Geschichte, man wurschtelt sich durch. Einstweilen ist Ruhe erste Bürgerpflicht und das Gesinchen soll doch bitteschön die Gründe für ihre zu Berge stehenden Haare für sich behalten. Wenigstens wissen wir jetzt warum sie so aussieht. Das ist ja auch was. Gruß Willi

Kuchenjunkie hat gesagt…

Danke für diesen ausführlichen Kommentar, Willi. Man freut sich doch, wenn man merkt, dass man nicht nur von gleichgeschalteten Idioten umgeben ist.

Hochschulstudium oder Staatsexamen scheint übrigens kein wirksames Mittel gegen diese Gehirnswäsche zu sein, die sich hier in den letzten Jahren abspielt. Im Gegenteil: In einigen Fällen scheint sich der Realitätsverlust sogar noch zu verstärken.

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